Letzter Schmaus vor dem Ramadan
Andrang zum Kermesfest des Vereins Atib. Obmann Ekinci kündigt Bildungsoffensive an. Ab Mittwoch heißt es für gläubige Moslems wieder fasten. Im Außerfern sind Tausende „betroffen“, kurze Nächte fordern ihren Tribut.
Von Helmut Mittermayr
Reutte –Es war ein Fest der Gaumenfreuden. Der Reuttener Verein Atib hatte im Freigelände vor Moschee und Clubräumen zwei Tage lang zur Kermes gerufen und Tausende waren gekommen, um sich mit türkischen Spezialitäten verwöhnen zu lassen. Heuer vielleicht nicht so viele Einheimische wie in den Jahren zuvor, wunderte sich ein Besucher. Auch heimische Musikkapellen hatten auf Anfrage allesamt keine Zeit. Scharen waren trotzdem gekommen – von Wien bis Frankfurt. Am Muttertag dann ein emotionaler Überraschungsmoment: Obmann Ruhi Ekinci, Stellvertreter Eren Turgut und Vorbeter Bayindir Ahmet verteilten rote Rosen an alle Mütter.
Die Vereinsführung freut der immense Andrang, können doch mit den Einnahmen Projekte während des Jahres finanziert werden. So wird stolz ein neuer Jugendraum präsentiert, der an ein modernes Kaffeehaus erinnert. Ein Riesenflatscreen und entsprechende Boxen ermöglichen Kinovorführungen oder Konzerte. „Wir wollen unsere Jugendlichen hier halten. Sie brauchen sich nicht im Markt herumtreiben oder in Wettbüros herumlungern. Dafür müssen wir ihnen natürlich auch etwas bieten, ein Selbstläufer ist das nicht“, wissen Ekinci und Turgut.
Die beiden haben ein großes Ziel vor Augen – den Start einer Art Bildungsoffensive. Die türkische Community in Reutte war in der Vergangenheit wenig durchlässig nach „oben“, was die Bildungswege ihrer Kinder betrifft. „Wir reden mit allen Eltern, um dies zu ändern. Ein Lehrabschluss sollte das Mindeste sein“, sagt Ekinci. Und Turgut weiter: „Aber auch Matura und der Besuch von Universitäten muss normal werden. Innsbruck, Wien – bisher war praktisch niemand von uns dort. Das muss sich ändern. Das muss in die Köpfe unserer Leute hinein.“
In Sachen Kermesfest hat sich auch der Außerferner FPÖ-Obmann in einer Presseaussendung zu Wort gemeldet. Fabian Walch kritisiert die „Zwangsbeschallung der Bevölkerung mit Muezzinrufen“. Viele Verärgerte hätten sich an ihn gewandt. Walch: „So etwas wollen wir hier nicht. Das ist eine gezielte Provokation.“ Walch sieht die Kermes als „Ärgernis für Einheimische, als Zurschaustellen der Parallelgesellschaft und Machtdemonstration“. Atib als türkischer Kulturverein würde Integration geradezu diametral behindern, anstatt sie zu fördern. Die Atib-Vereinsführung sieht das weit weniger schlimm und ist bemüht, die Kirche im Dorf zu lassen: „Ja, unser Vorbeter hat mit Lautsprecher ein paarmal zum Gebet gerufen. Aber es waren so viele Leute da und es war ja nur während des Festes.“ Beide erklären, dass Atib Reutte mit Politik nichts zu tun haben will – beim Fest waren etwa politische Bilder und Lieder untersagt.
Die Zeit des Schlemmens ist für die Moslems jetzt jedenfalls vorbei. In der Nacht auf Mittwoch startet weltweit der Fastenmonat Ramadan, der von 16. Mai bis 14. Juni dauern wird. Die Selbstkasteiung ist im Sommer umso schwerer, als nur in der Dunkelheit getrunken und gegessen werden darf – die Zeit des Hungerns somit täglich bis zu 16 Stunden betragen kann. Sorgen, dass sich Tagfasten und damit einhergehender Schlafmangel in der dritten und vierten Woche auf Konzentration und Leistung – gerade bei „zulangenden“ Berufen – negativ auswirken könnten, teilt Ekinci nicht: „Kein Problem, das ist reine Kopfsache.“