Mehr als 50 Tote am Tag der Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem
Jerusalem (APA/AFP/dpa) - Die offizielle Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem ist am Montag von Massenprotesten im Gazastreifen begleite...
Jerusalem (APA/AFP/dpa) - Die offizielle Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem ist am Montag von Massenprotesten im Gazastreifen begleitet worden, bei denen Dutzende Palästinenser von israelischen Soldaten getötet und mindestens 2.400 weitere Menschen verletzt wurden. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas warf Israel ein „Massaker“ vor. Die internationale Gemeinschaft reagierte mit großer Sorge und forderte Zurückhaltung.
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu dankte US-Präsident Donald Trump bei der Eröffnungszeremonie: „Präsident Trump, mit der Anerkennung der Geschichte haben Sie Geschichte geschrieben“, wandte Netanyahu sich an den US-Präsidenten, der nicht persönlich an der Zeremonie teilnahm. Zugleich bekräftigte Netanyahu Israels Anspruch auf Jerusalem als seine Hauptstadt: „Wir sind in Jerusalem und wir sind hier um zu bleiben.“
Trump betonte in einer Videobotschaft, wie „jede andere souveräne Nation“ dürfe Israel selbst über seine Hauptstadt entscheiden. Zugleich versicherte er, ein Friedensschluss im Nahen Osten sei seine „größte Hoffnung“.
Die Botschaftseröffnung fand am gleichen Tag statt, an dem Israel sein 70-jähriges Bestehen feierte, wie US-Botschafter David Friedman in seiner Rede hervorhob. In Anwesenheit von 800 Gästen enthüllte US-Finanzminister Steven Mnuchin eine Tafel und ein Siegel an dem bisherigen Konsulatsgebäude. Auch Trumps Tochter und Beraterin Ivanka Trump und deren Mann Jared Kushner nahmen an der Zeremonie teil.
Das diplomatische Corps in Israel war zu der Zeremonie nicht geladen. Dafür hatte Regierungschef und Außenminister Benjamin Netanyahu am Sonntagabend zu einem Empfang ins Außenministerium gebeten. Lediglich 34 der geladenen diplomatischen Vertreter aus 86 Ländern folgten der Einladung. Von den EU-Staaten waren Österreich, Tschechien, Rumänien und Ungarn vertreten, zahlreiche Mitgliedsländer wie Deutschland oder Frankreich verzichteten auf eine Teilnahme.
Botschafter Martin Weiss wies die Kritik an der Teilnahme Österreichs zurück. Gegenüber der Tageszeitung „Die Presse“ (Dienstagsausgabe) sagte er, er sei der Einladung aus Höflichkeit nachgekommen. Österreich habe seine Position nicht geändert und setze weiter auf die Zweistaatenlösung, so der Diplomat. Österreichs Botschaft werde in Tel Aviv bleiben, versicherte er.
Der Tag der Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem wurde zum blutigsten Tag im Nahost-Konflikt seit Jahren. Seit dem Gazakrieg im Jahr 2014 wurden nicht mehr so viele Menschen an einem Tag getötet. Laut dem palästinensischen UNO-Botschafter in New York, Rijad Mansur, waren mindestens acht Kinder unter 16 Jahren unter den Toten.
Palästinenserpräsident Abbas ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. „Die hohe Zahl der Toten ist ein Hinweis auf die Grausamkeit, mit der die Israelis mit unserem Volk umgehen“, sagte Abbas bei politischen Beratungen in Ramallah. Die palästinensische Führung wollte über das weitere Vorgehen nach der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem beraten.
Diese stellt für die Palästinenser ein Affront dar. Nach Angaben der israelischen Armee beteiligten sich am Nachmittag 40.000 Palästinenser in 13 Orten entlang der Grenze zu Israel an den Protesten. Demonstranten hätten die Soldaten unter anderem mit Brandbomben angegriffen.
Die israelische Luftwaffe flog als Reaktion „auf die gewaltsamen Aktionen der Hamas in den vergangenen Stunden“ einen Angriff auf ein militärisches Ausbildungslager der Hamas im Norden des Gazastreifens, wie die Armee mitteilte. Zuvor seien bereits zwei weitere „Militärposten“ der Hamas beschossen worden.
Netanyahu begründete das harte Vorgehen der Armee auf Twitter mit der „Pflicht Israels zur Verteidigung seiner Grenzen“. Er kündigte an, weiter „entschieden“ gegen mutmaßliche Angriffe der Hamas vorzugehen.
Die israelischen Nachbarstaaten Jordanien und Ägypten verurteilten die eskalierende Gewalt im Gazastreifen. Es handle sich um „exzessive Gewalt gegen wehrlose palästinensische Menschen“, sagte der jordanische Regierungssprecher Mohammed Al-Momani am Montag. Dies sei ein „Verbrechen“. Das Außenministerium in Ägypten verurteilte die Bekämpfung „von unbewaffneten palästinensischen Zivilisten von den israelischen Besatzungstruppen“.
Amnesty International kritisierte „eine schändliche Verletzung des internationalen Rechts und der Menschenrechte im Gazastreifen“, die „sofort“ aufhören müsse.
Die deutsche Bundesregierung reagierte „bestürzt und mit tiefer Sorge“ auf die blutigen Zusammenstöße. „Alle müssen sich nun dafür einsetzen, dass es nicht zu einer noch schlimmeren Zuspitzung der Lage kommt“, appellierte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sah die Situation am Montag weniger dramatisch. Die Ereignisse würden zwar „nicht zur Beruhigung“ beitragen, dass sie den oft zitierten Flächenbrand auslösen, glaube sie aber nicht, erklärte Kneissl am Montag bei einem gemeinsamen Pressestatement mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in Wien. Der israelisch-palästinensische Konflikt bleibe jedenfalls der Kern der Auseinandersetzungen der Region. Guterres zeigte sich dabei „sehr beunruhigt“.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief alle Seiten „zu äußerster Zurückhaltung“ auf. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian warnte in Paris vor einem „neuen Flächenbrand“ im Nahen Osten.
Die Arabische Liga will am Mittwoch zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Ihr Vize-Generalsekretär Sajed Abu Ali sagte, dabei sollten „Wege“ erörtert werden, wie mit der „illegalen Entscheidung der USA“ umzugehen sei.
Trump hatte am 6. Dezember mit seiner Ankündigung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, wütende Proteste der Palästinenser ausgelöst. Dabei wurden seit Ende März mehr als hundert Palästinenser getötet.
Der endgültige Status Jerusalems ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und 1980 annektierten Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates.