71. Filmfestspiele Cannes: Spike Lees „Blackkklansman“ umjubelt
Cannes (APA) - Seit Montagabend haben die 71. Filmfestspiele von Cannes einen ersten Topfavoriten auf den Regiepreis, wenn nicht die Goldene...
Cannes (APA) - Seit Montagabend haben die 71. Filmfestspiele von Cannes einen ersten Topfavoriten auf den Regiepreis, wenn nicht die Goldene Palme: Spike Lees neues Werk „Blackkklansman“ wurde bei seiner Weltpremiere an der Croisette mit minutenlangen Stehenden Ovationen bedacht. Und zu Recht, stellt die Mischung aus Krimisatire und politischer Anklage doch die beste Arbeit des Regisseurs seit langem dar.
Der große Kämpfer für die Sache der afroamerikanischen Bevölkerung legt auch mit „Blackkklansman“ ein Werk vor, das eindeutig Partei ergreift, das aber so zwingend, so offen und so humorvoll tut, dass der Zuschauer sich dem Strom nicht entziehen kann. Subtil arbeitet Lee nicht, stellt er seinem Film doch einen Prolog von Alec Baldwin als ebenso hasserfülltem wie lächerlichem Rassistenprediger im Gewand der 1950er voran - also eben jenen Hollywoodstar, der mittlerweile legendär für seine Donald-Trump-Imitation ist. Als Epilog bringt Lee Nachrichtenausschnitte von der rechtsextremen Demonstration in Charlottesville 2017, die zu massiven Ausschreitungen führt. Am Ende steht eine US-Flagge am Kopf und färbt sich sukzessive Schwarz-Weiß.
Und dazwischen liegen zwei Stunden des Spike Lee eigenen Genremixes. Blaxploitation, das schwarze Subkulturkino, kommt da ebenso zu Ehren wie die Buddy-Cop-Movies der 70er oder allgemein die Stilistik der Zeit mit Splitscreens und wiederholten Schnitten aus verschiedener Perspektive.
In dieser Stilistik zeichnet Lee eine absurd erscheinende Geschichte, die aber doch vage auf realen Vorbilder beruht, konkret den Memoiren von Ron Stallworth. Der erste schwarze Polizist in Colorado, mit in sich ruhender Coolness gespielt von Denzel Washingtons Sohn John David Washington, infiltrierte 1979 mit seinem jüdischen Partner Flip Zimmermann (Adam Driver) den örtlichen Ku-Klux-Klan und verhindert dessen geplante Anschläge.
Das funktioniert als klassische Kriminalgeschichte gespickt mit Humor, der das Premierenpublikum in Cannes immer wieder in lautes Lachen ausbrechen ließ. Zu Szenenapplaus führten hingegen jene Szenen, in denen Regisseur und Co-Autor Lee die Parallelen und fortlaufenden Stränge der damaligen zur heutigen Zeit evident macht.
Da lässt er die Ku-Klux-Klan-Proponenten von der „Greatness of America“ schwärmen, die Devise „America First“ ausrufen oder von einer neuen (Boston) Tea Party träumen. Zugleich belässt es der mittlerweile 61-jährige Lee nicht bei kleinen Anspielungen, sondern flechtet immer wieder auch didaktische Sequenzen in seine Arbeit ein, wenn er etwa den Black-Panther-Führer Stokely Carmichael (Kwame Ture) eine längere Rede halten oder einen von Harry Belafonte dargestellten Bürgerrechtler D.W. Griffiths ebenso epochales wie rassistisches Werk „Birth of a Nation“ aus 1915 auseinandernehmen lässt.
Und doch funktionieren diese scheinbar disparaten Fragmente im Zusammenspiel, schaffen in ihrer Vielgestaltigkeit eine eigene Balance, die Ernsthaftigkeit mit Können verbindet. Die Chance auf eine Palme für den Filmemacher, der bei Regen mit dem Großteil seines Ensembles über den Roten Teppich marschierte, stehen jedenfalls gut.
(S E R V I C E - www.festival-cannes.com