Wiener Festwochen

Heldenlied einmal anders

Eigentümliche Melodik vor buntem Bühnenbild: Wael Shawkys „The Song of Roland: The Arabic Version“ im Theater an der Wien.
© Janto Djassi

Die Wiener Festwochen zeigen mit „The Song of Roland: The Arabic Version“ Wael Shawkys Perspektive auf ein Heldenepos.

Wien – Die Nacht senkt sich auf die Bühne des barocken Theaters an der Wien, nachdem Karl der Große den Verräter Ganelon, der den Tod des heroischen Roland verantwortet, grausam vierteilen lässt. Davor zogen des Herrschers Truppen in einem frühen Kreuzzug blutig gegen die muslimischen Sarazenen, machten Pamplona und Saragossa zu Stätten wüstesten Gemetzels, immer mit der Überzeugung, dem Werk des christlichen Gottes zu dienen.

Tradiert über die Zeiten wurden diese Taten durch das um 1080 in Frankreich entstandene „Rolandslied“. Der ägyptische Künstler Wael Shawky, 1971 in Alexandria geboren, beschäftigt sich in seinem Werk schon des Längeren mit dem Thema der Kreuzzüge. Seine mit Marionetten gestaltete Filmtrilogie „Cabaret Crusades“ bewegte die Besucher der dokumenta13 wie des New Yorker MoMa und war auch im Kunsthaus Bregenz zu sehen.

Basierend auf Amin Maaloufs 1983 erschienenem Buch „Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber“ setzt Shawky den Versuch, die bis heute andauernde Gewaltgeschichte zwischen Orient und Okzident, Christentum und Islam künstlerisch zu visualisieren, in seiner nun bei den Wiener Festwochen präsentierten ersten Bühnenarbeit fort.

„The Song of Roland: The Arabic Version“ ist bildmächtiges und die Hörgewohnheiten eines mitteleuropäischen Publikums herausforderndes Musiktheater, dessen blutiges Geschehen sich indirekt und unterstützt von deutschen Übertiteln vermittelt.

Vor einem bunten Bühnenbild, zusammengesetzt aus historischen Karten der Städte Aleppo, Bagdad und Istanbul, sitzen zwanzig in prächtige Kaftans gehüllte Männer, die, sich rhythmisch mit Trommeln und Schlägen auf Tonkrüge begleitend, die „arabische Version“ des Roland-Epos anstimmen.

Sehr tief aus vibrierender Kehle kommt dieser Gesang der Künstler aus Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die sich der Wiederbelebung der uralten Tradition des „Fidjeri“ widmen. Es war die Musik der Perlenfischer, deren Gewerbe der Ölboom in den Golfstaaten obsolet gemacht hatte.

Der eigentümlichen Melodik zwischen mönchisch anmutenden Chorälen und stark rhythmisierten Liedern vertraut Wael Shawky sein Gedankengebäude an, das auf eine Reflexion der Gegenwärtigkeit einer gemeinsamen Historie Europas und des arabischen Raumes abzielt. Entstanden ist ein ästhetisch bestechendes und in seiner Besonnenheit überzeugendes Stück Musiktheater. (lietz)