Generalstreik nach blutigen Protesten an Gaza-Grenze
Gaza/Ramallah/Jerusalem (APA/dpa/AFP/Reuters) - Nach den tödlichen Konfrontationen von Palästinensern und israelischen Soldaten an der Gaza-...
Gaza/Ramallah/Jerusalem (APA/dpa/AFP/Reuters) - Nach den tödlichen Konfrontationen von Palästinensern und israelischen Soldaten an der Gaza-Grenze sind am Dienstag wegen eines Generalstreiks alle Geschäfte in den Palästinenser-Gebieten und Ost-Jerusalem geschlossen geblieben. Auch Schulen, Universitäten und Regierungseinrichtungen blieben zu. Drei Tage der Trauer begannen.
Die Zahl der bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen getöteten Palästinenser stieg auf 59. Ein acht Monate altes Mädchen sei erstickt, nachdem es von israelischen Soldaten eingesetztes Tränengas eingeatmet habe, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza in der Nacht auf Dienstag mit.
Die Flaggen am Amtssitz von Präsident Mahmoud Abbas in Ramallah wehten auf halbmast. Im Gazastreifen sollten am Dienstag Dutzende Tote begraben werden. Einige wurden bereits am Montagabend beerdigt.
Alle politischen Fraktionen riefen für Mittag zu Protesten an israelischen Armeekontrollpunkten im Westjordanland auf. Erneute Konfrontationen mit Soldaten wurden befürchtet. Der UNO-Sicherheitsrat wollte am Dienstag über die Lage beraten.
Am Nakba-Tag an diesem Dienstag erinnern die Palästinenser zudem traditionell an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender im Zuge der israelischen Staatsgründung vor 70 Jahren. Dabei kam es bereits in der Vergangenheit zu Unruhen.
Israel öffnete den am Wochenende schwer beschädigten Warenübergang Kerem Shalom wieder, wie die zuständige Behörde bestätigte. Palästinenser hatten nach Angaben der Armee am Freitag bei Ausschreitungen den Warenübergang erneut in Brand gesetzt. Der einzige Übergang, über den der Gazastreifen mit humanitären Hilfsgütern und Warenlieferungen versorgt wird, war mehrere Tage nicht benutzbar.
Die israelische Luftwaffe griff am Montag insgesamt elf Ziele in einem Komplex der radikalislamischen Hamas im nördlichen Gazastreifen an. Zusätzlich beschossen Panzer zwei Hamas-Stützpunkte im Norden und Süden des Küstengebietes, wie die Armee in der Nacht auf Dienstag mitteilte.
Im Süden Israels gab das Militär Dienstag früh Raketenwarnung, kurz darauf wurde aber von einem falschen Alarm gesprochen. Das Schrillen der Sirenen an der Grenze zum Gazastreifen zeigte, wie angespannt die Lage war.
Ein Auslöser für die Proteste im Gazastreifen war die Eröffnung der US-Botschaft am Montag in Jerusalem, dem 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung. Die Menschen protestieren zudem gegen eine mehr als zehnjährige Blockade des Küstenstreifens durch Israel und Ägypten.
Die USA hatten am Montag ihre Botschaft im Jerusalemer Stadtteil Arnona eröffnet. US-Präsident Donald Trump hatte vor rund sechs Monaten in einem international scharf kritisierten Schritt Jerusalem einseitig als Israels Hauptstadt anerkannt. Dabei kündigte er auch die Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem an.
Jerusalem gilt als eine zentrale Streitfrage im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Israel hat den Ostteil der Stadt im Sechstagekrieg 1967 erobert. Den Anspruch der Palästinenser auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt für einen künftigen Staat Palästina lehnt Israel ab. Nach Ansicht der internationalen Gemeinschaft muss der Status der Stadt in gemeinsamen Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern festgelegt werden.
Israel wirft der im Gazastreifen herrschenden Hamas vor, Zivilisten im Konflikt auf zynische Weise als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Die israelische Armee hat den Auftrag, Palästinenser um jeden Preis daran zu hindern, die Gaza-Grenze zu überqueren. Die Hamas wolle unter dem Deckmantel der Proteste Anschläge in israelischen Grenzorten verüben, sagte Armeesprecher Ronen Manelis. Für Dienstag wurden neue Proteste erwartet.
Ungeachtet internationaler Kritik eröffnet nach den USA auch Guatemala seine neue Botschaft in Jerusalem. Präsident Jimmy Morales reise für die Einweihung am Mittwoch nach Israel, teilte die Regierung des mittelamerikanischen Landes am Montag (Ortszeit) mit.
Guatemala hatte als zweites Land nach den USA die Verlegung seiner Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem angekündigt. Auch Paraguay will seine Botschaft kommende Woche verlegen, in Honduras gibt es ebenfalls Bestrebungen.
Nach der Gewalt an der Gaza-Grenze lehnen die USA eine unabhängige Untersuchung der Konfrontationen ab. Unter den Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrats kursierte am Montag der Entwurf für eine gemeinsame Stellungnahme zu der Gewalt, in der auch eine solche Untersuchung gefordert wurde. Diesen Entwurf blockierten die USA jedoch, wie ein Diplomat der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte. Der Rat wollte am Dienstag über die Lage beraten und sich dabei auch vom Nahost-Beauftragten Nikolaj Mladenow informieren lassen.
Peking forderte unterdessen nach den blutigen Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischer Armee „besonders Israel“ zur Zurückhaltung auf. China sei „ernsthaft besorgt über die hohe Zahl an Opfern“ im Konflikt an der Grenze zwischen Gazastreifen und Israel, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Dienstag. „Wir rufen die palästinensische und israelische Seite, besonders Israel, dazu auf, Zurückhaltung zu zeigen.“
Auch Russland rief zur Zurückhaltung auf. Alle Länder, insbesondere die Mitglieder des Nahost-Quartetts, sollten auf Handlungen verzichten, welche Spannungen wie am Montag provozieren könnten, sagt ein Sprecher des Präsidialamtes. Der Tod vieler Dutzender Palästinenser sei Grund für „sehr große Sorgen“. Die Regierung in Moskau beobachte die Lage an der Grenze zum Gaza-Streifen genau.