„Mission to the Moon“-Chef: „Am Mond gibt es keinen Pannendienst“

Wien (APA) - Mit der ersten privaten Mondmission möchten eine Gruppe ursprünglicher „Teilzeitzeit-Forscher“ mit großem österreichischen Ante...

Wien (APA) - Mit der ersten privaten Mondmission möchten eine Gruppe ursprünglicher „Teilzeitzeit-Forscher“ mit großem österreichischen Anteil und mehrere Unternehmen im zweiten Halbjahr 2019 einen Coup landen. Was auf dem ambitionierten Weg zum Mond noch schiefgehen könnte und warum das Berliner Unternehmen PTScientists einen Österreich-Standort gründet, erklärte Firmengründer Robert Böhme im APA-Gespräch.

Seit Ende 2007 tüfteln Wissenschafter und Ingenieure an der Idee, die mittlerweile den schlichten Titel „Mission to the Moon“ trägt. Nächstes Jahr soll die Landeeinheit „Alina“ (Autonomous Landing and Navigation Module) mit den beiden „Audi Lunar Quattro“-Rovern im Taurus-Littrow-Tal am Mond aufsetzen. Diese Gegend war bereits das Ziel der Apollo 17-Mission im Dezember 1972 und damit der bisher letzte Platz, an dem Menschen den Erdtrabanten betreten haben. Dass den PTScientists dort jemand zuvor kommt, befürchtet Böhme nicht.

APA: Herr Böhme, wie stehen die Chancen, dass die „Mission to the Moon“ 2019 tatsächlich erfolgreich sein wird?

Robert Böhme: Aus irgendwelchen Gründen kann sich die Mission natürlich verzögern, weil noch etwas unerwartet schiefgeht. Das hinzukriegen ist ja eine große Herausforderung. Dafür was fehlschlagen kann, gibt es eine recht große Liste - die Fehlerquellen sind unendlich. In der Raumfahrt gilt, wenn du das Ding einmal losgeschickt hast, kannst du dich auch sehr schlecht von Fehlern erholen. Ganz banal: Am Mond gibt es für den Rover keinen Pannendienst. Wir sind aber nicht naiv und haben ein sehr gutes „Risk Assessment“, arbeiten eng mit der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und dem DLR (dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt; Anm.) zusammen. Vielfach geht es darum, etwa noch Treibstoffreserven einzuplanen, und nicht immer ganz am Limit zu sein.

APA: Was ist die kritischste Phase vor dem Start?

Böhme: Das sind die „Flight Acceptance Tests“: Da packen wir alles zusammen, stellen es auf eine Schüttelplatte, lassen das durchvibrieren (um die Vibrationen des Starts zu simulieren, Anm.), simulieren Schocks und machen Klima- und Strahlentests. Das muss final abgenommen werden und erst dann geht alles zu (dem privaten US-Raumfahrtunternehmen; Anm.) SpaceX, wo wir den Start mit einer „Falcon“-Rakete gebucht haben. Wenn bei dem finalen Test etwas kaputtgeht, täte das richtig weh.

APA: Wovor fürchten Sie sich nach dem Start am meisten?

Böhme: Der Transit ist relativ einfach, weil sich das Raumschiff wie ein Satellit verhält. Die Landung selbst ist die kritischste Phase. Das können auch nicht viele. Bei der NASA hat das damals Neil Armstrong mit seinem Joystick gemacht. Wir müssen Neil Armstrong auf einem Mikrochip mit sehr viel Sensorik mitnehmen. Hier dürfen am Ende keine Fehler passieren.

APA: Seinen Ausgangpunkt hatte das Projekt im Rahmen des mittlerweile eingestellten Wettbewerb „Google Lunar X-Price“. Könnte ihnen jemand aus der Teilnehmerriege zuvor kommen?

Böhme: Es ist ja niemand verpflichtet zu erzählen, was er macht. Von dem, was ich so weiß, hat momentan keiner Ambitionen, um 2019 herum etwas zu machen. Abgesehen davon wäre es auch nicht wirklich schlimm, wenn da übermorgen jemand landet. Es hat für uns kommerziell und für die Mission keine Relevanz. Es bleibt ja die einzige Mission, die zu Apollo zurückkehrt. Es ist aber gut, dass es hier Konkurrenz gibt, und auch andere Leute zeigen, dass es kommerziell tragfähig ist. Außerdem ist es immer eine Riesenleistung wenn das jemand technisch hinkriegt.

APA: Sie verfolgen einen ehrgeizigen Plan, was die mediale Umsetzung betrifft. Das Red Bull Media House wird die Mission sozusagen inszenieren. Welchen Anteil hat dieser Part an der Mission?

Böhme: Wir als PTScientists sind das technische Unternehmen. Für uns geht es um Infrastruktur, um Technik und darum, zu zeigen, dass da ein Anwendungsfall dahinter steckt. Der mediale Teil ist für mich persönlich wichtig, um Leute zu begeistern und in die private Raumfahrt hineinzuholen. Die meisten verstehen gar nicht, dass es das überhaupt gibt, und studieren dann Wirtschaftsinformatik oder werden Anwalt. Ich möchte den Leuten zeigen, dass das eine Option ist und die Raumfahrt etwas ist, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten und die Menschheit ein Stück weiterbringen können. Dafür finde ich die mediale Aufmerksamkeit wirklich wichtig. Ich glaube vor allem, dass es Leute inspiriert, wenn das ein privates Team macht.

APA: Gibt es eine gewisse Gefahr, dass der PR- und Eventcharakter die wissenschaftlich-technische Herausforderung überlagert?

Böhme: Nein, gar nicht! Wenn man es sich genau überlegt, war das Apollo-Programm eine reine PR-Aktion. Die Motivation dahinter war, diese blöde Flagge dorthin zu bringen. Das war auch daran zu sehen, dass danach schnell alle Gelder weg waren. Die größere Herausforderung für uns wird sein, dass die Leute das nicht als zu rückwärtsgewandt ansehen, weil wir uns Apollo 17 ansehen. Wir schauen damit zwar in die Vergangenheit, machen aber einen Schritt in die Zukunft. Ich möchte das Flair dieser Entdeckung haben, aber auch die Tür in das Unbekannte und Neue zeigen. Das hat das Apollo-Programm nämlich geschafft.

APA: Sie wollen nun also zeigen, dass ein relativ kleines Team aus Technikern, Forschern und „Nerds“ so etwas hinbekommt. Wie müssen angesichts dessen Raumfahrtagenturen wie ESA oder NASA ihre Rolle in der Zukunft ausrichten?

Böhme: Sie sind alle dabei, sich neu zu finden. Die ESA hat uns gerade einen rund 250 Mio. Euro schweren Großauftrag für eine eigene Mission gegeben, um 2024 zum Südpol des Mondes zu fliegen und dort Wasser zu gewinnen. Das ist eine unglaubliche Veränderung. Früher hätte die ESA da eine komplett eigene Mission gemacht. Der Öffentlichkeit hätte man gesagt, welche Forschungsergebnisse man damit sammeln möchte. Jetzt nimmt die ESA einen Bruchteil des Geldes, lässt die Frage des Hinkommens Private lösen und kümmern sich um den Bau der Instrumente und darum, die Daten für die Forschung zu haben, mit denen man die Menschheit einen Schritt weiter bringen will. Dazu kommt, dass die ESA mit dem „Moon Village“ die einzige Agentur der Welt ist, die eine größere Vision hat.

APA: Wichtige Mitentwickler der Mission kommen seit dem Beginn aus Österreich. Wie „österreichisch“ ist das Vorhaben?

Böhme: Nach unserer Zweigstelle in den USA eröffnen wir in zwei, drei Monaten sogar eine Niederlassung in Österreich. Wir haben schon jetzt sehr viele Mitarbeiter hier. Um auch das mit den Anstellungsverhältnissen und den Arbeitswegen ein wenig zu vereinfachen, wollen wir in Salzburg ein Büro eröffnen. Wir wollen hier einen festen Standpunkt haben, um auch ein paar Kooperationen und zusätzliche Leute hereinzuholen. Wir bereiten jetzt Jobausschreibungen vor. Wer sich also in Österreich für private Raumfahrt interessiert, hat die Chance hier mitzumachen.

(Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA)