Vier hohe Hürden für einen harten Kurs der CSU
Berlin/München (Reuters) - Als die CSU-Spitze am Sonntag ihr weiteres Vorgehen im Streit über die deutsche Flüchtlingspolitik mit der CDU di...
Berlin/München (Reuters) - Als die CSU-Spitze am Sonntag ihr weiteres Vorgehen im Streit über die deutsche Flüchtlingspolitik mit der CDU diskutierte, zeigte sich das Problem der Christ-Sozialen mit einer harten Position. Denn die Partei steht nicht geschlossen hinter Innenminister und Parteichef Horst Seehofer. Dies führte letztlich zu dessen Rücktrittsdrohung - die er dann aber zunächst bis Mittwoch zurücknahm.
Insgesamt fällt es der CSU immer schwerer zu begründen, warum Seehofer den angedrohten Weg nationaler Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze gehen sollte. Dies hat vier Gründe:
EU-GIPFEL BESCHLIESST HARTEN KURS
CSU-Granden wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatten vor dem EU-Gipfel noch erklärt, dass sie nicht an eine EU-Einigung glaubten. Nun wurde ein Migrations-Teil mit zwölf Unterpunkten beschlossen, der ein ganzes Set an Maßnahmen dafür liefert, damit sich ein Ansturm von Flüchtlingen und Migranten wie 2015 nicht wiederholt. Das ist Kern der CSU-Forderung, und dieses Ziel wird im Abschlussdokument des Gipfels ausdrücklich genannt.
Zudem verpflichten sich die 28 EU-Staaten nicht nur dazu, die Binnenwanderung von Asylsuchenden in der EU zu unterbinden. Es wird auch die Einrichtung von Aufnahmezentren in den EU-Staaten mit Außengrenzen beschlossen, die ähnlich wie die von Innenminister Seehofer geplanten Ankerzentren funktionieren sollen: zentrale Unterbringung, dortige Entscheidung über ein Bleiberecht in der EU, und bei einem negativen Entscheid Abschiebung.
Was in Deutschland geplant ist, könnte als Netz von Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen entstehen, wenn auch auf freiwilliger Basis. Dazu kommt der Versuch, viele Migranten bereits vor dem EU-Eintritt in Aufnahmezentren in Drittstaaten zu sammeln und dort eine Vorauswahl über deren Schutzanspruch in der EU zu treffen. Die von der CSU aufgestellten Forderungen seien mehr als erfüllt, sagte Merkel - und ihr pflichteten ausgerechnet rechtsgerichtete EU-Regierungen wie etwa Österreich bei.
BILATERALE ABKOMMEN
Hinzu kommen die Bemühungen der Kanzlerin um bi- oder trilaterale Abkommen. Dabei geht es vor allem um die Zusage von EU-Partnern, die in ihren Ländern registrierte Flüchtlinge zurücknehmen, wenn diese nach Deutschland weiterziehen. Merkel verkündete entsprechende politische Einigungen mit Griechenland und Spanien, allerdings noch nicht mit Italien. Daneben hätten sich bereits 14 weitere EU-Staaten bereit erklärt, Verwaltungsabkommen für schnellere Rückführungsverfahren mit Deutschland zu schließen. Es gab zwar Verwirrung angesichts Teildementis einiger Regierungen und öffentliche Zweifel von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Aber CDU-Granden wie Julia Klöckner und Armin Laschet betonten am Montag, dass dies nichts an den Fortschritten ändere - und dass es nun genügend Brücken gebe, über die die CSU gehen könne.
Der Prozess der Rücknahmen läuft ohnehin bereits. Allein in den ersten vier Monaten wurden mehr als 14.000 solcher Rücknahmeanfragen aus Deutschland positiv beschieden - auch ohne Zurückweisungen an der Grenze. Die „Welt am Sonntag“ berichtete zudem, dass die meisten Rückübersendungen von Flüchtlingen an Deutschland selbst scheiterten, weil viele der Betroffenen nach der Entscheidung untertauchen. CSU-Chef Seehofer fällt die Argumentation schwerer, die „Wirkungsgleichheit“ der Maßnahmen zu einer unilateralen Zurückweisung an der Grenze anzuzweifeln.
KEINE ACHSE MEHR - GEGENWIND FÜR CSU AUS EU-STAATEN
Die CSU wirkt seit dem EU-Gipfel eher isoliert. Denn vorbei ist die Zeit, als der von den Christ-Sozialen hofierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) noch eine „Achse der Willigen“ aus München-Wien-Rom verkündete. Kurz warnte am Wochenende vielmehr vor einem nationalen und eigentlich eher bayerischen Alleingang und kündigte an, zurückgewiesene Flüchtlinge nicht anzunehmen. Er warnt genauso wie Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis zudem, dass umfassende neue Grenzkontrollen den Schengenraum gefährdeten und zu großen neuen Staus führen könnten. Von rechts bis links stellten sich EU-Regierungen an die Seite Merkels und gegen die CSU - auch weil die EU nun die geforderte härtere Asylpolitik beschlossen hat.
Dazu kommt Widerstand auch von anderer Seite: Die vier Wirtschaftsverbände BDI, DIHK, ZDH und BDA plädierten am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung für einen europäischen Weg - und auch Siemens-Chef Joe Kaeser pries den EU-Beschluss per Twitter als Maßnahme gegen „Populismus und Nationalismus“.
CDU GESCHLOSSENER - CSU NICHT
Die Debatte der vergangenen Tage hat nicht dazu geführt, dass sich die Reihen hinter CDU-Chefin Merkel lichteten - im Gegenteil. Mit nur einer Enthaltung beschloss der CDU-Bundesvorstand am Sonntagabend, sich hinter die Kanzlerin zu stellen. „Einseitige Zurückweisungen wären das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner“, heißt es in dem Papier. Umstritten ist, wie stark der Widerstand dagegen in den CSU-Reihen war und ist. Klar ist aber: Es gab offenen Widerspruch, was mit zum Rücktrittsangebot Seehofers beigetragen haben soll.
In den vergangenen Tagen hatte es zudem mehrere Umfragen gegeben, die nahelegen, dass die Mehrheit der Bundesbürger und auch im Unions-Lager eher den Kurs Merkels stützen. Und im ZDF-Politbarometer stürzten Söder und Seehofer auf negative Zustimmungswerte ab. Und laut einer neuen Forsa-Umfrage würde die CSU bei einer Bundestagswahl in Bayern nur noch auf 34 Prozent der Stimmen kommen.