Mexiko rückt mit Präsidentenwahl nach links - Folgen unklar

Mexiko-Stadt (APA/Reuters/AFP) - Unter dem Eindruck von Gewalt, Korruption und einer schleppenden Wirtschaft wenden sich die Mexikaner polit...

Mexiko-Stadt (APA/Reuters/AFP) - Unter dem Eindruck von Gewalt, Korruption und einer schleppenden Wirtschaft wenden sich die Mexikaner politisch nach links. Mit deutlicher Mehrheit entschied der ehemalige Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Andres Manuel Lopez Obrador, am Sonntag die Präsidentenwahl für sich. Seine Rivalen räumten ihre Niederlage ein.

Der Links-Nationalist kündigte an, sozial Benachteiligte ins Zentrum zu rücken, versprach aber eine solide Finanzpolitik. Der Sieg des unter dem Kürzel „LO“ bekannten 64-Jährigen hatte sich abgezeichnet und für Nervosität an den Märkten gesorgt, da sein genaues Programm unklar bleibt. Mit Spannung wird erwartet, ob er und US-Präsident Donald Trump aneinander geraten.

Nach ersten Hochrechnungen erhielt Lopez Obrador mehr als 53 Prozent der Stimmen und lag damit etwa 30 Punkte vor dem Zweitplatzierten. Unklar blieb zunächst, ob sich der neue Präsident nach seinem Amtsantritt am 1. Dezember auf eine Mehrheit seiner Partei Morena im Kongress stützen kann. Dies würde es ihm erlauben, ohne Kompromisse die Ausgaben zu erhöhen. Experten zufolge steht die Sitzverteilung möglicherweise erst am Dienstag fest. Die Furcht vor einer Morena-Mehrheit lastete zunächst auf dem Peso, der um bis zu 0,8 Prozent nachgab.

„Wir werden den einfachen und den vergessenen Menschen Vorrang geben - insbesondere den Indio-Völkern Mexikos“, sagte Lopez Obrador in seiner Siegesrede. „Für das Wohl aller gilt: Die Armen zuerst.“ Die wichtigste Aufgabe seiner Regierung werde der Kampf gegen die Korruption und gegen die Straffreiheit von Rechtsbrechern sein. Der zukünftige Präsident erneuerte seine Ankündigung, die Verträge des Staates mit Energie-Unternehmen zu prüfen. Allerdings kündigte er an, die Finanzdisziplin zu wahren. Auch die Zentralbank werde unabhängig bleiben. Es werde keine Enteignungen geben.

Die Nervosität unter Anlegern geht unter anderem darauf zurück, dass sich Lopez Obrador im Wahlkampf in die Tradition des linken Präsidenten Lazaro Cardenas stellte. Dieser verstaatlichte nach seinem Amtsantritt 1934 ausländische Unternehmen, darunter die Öl-Konzerne, und verteilte Land an arme Bauern. Bei Lopez Obrador blieb bis in die Wahlnacht unklar, wie weit er genau mit seiner links-sozial ausgerichteten Politik gehen will. Mitglieder seines Teams hatten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters im Wahlkampf gesagt, die neue Regierung sei „eigentlich nicht links, wir sind mitte-links“.

In der Nacht setzte der künftige Präsident mit einer seiner ersten Handlungen ein gemäßigtes Zeichen: Während der Übergangsphase soll der prominente Geschäftsmann Alfonso Romo die Wirtschaftspolitik übernehmen. Romo setzt sich für ausländische Investitionen in die Energiewirtschaft ein.

Zu den Gratulanten gehörte US-Präsident Donald Trump, der auf Twitter schrieb, sich sehr auf die Zusammenarbeit zu freuen. Für Montag war ein Telefonat angesetzt. Auch Lopez Obrador ist ein eifriger Nutzer sozialer Medien, der zudem als Charakterkopf mit scharfer Zunge gilt. Bekannte des Mexikaners hatten vor der Wahl zu Reuters gesagt, dass zwischen beiden Männern bei einem „Zusammenprall der Egos“ die Funken fliegen könnten. Die Beziehungen zum Nachbarn im Norden sind ohnehin gespannt, sei es wegen des Streits über das NAFTA-Handelsabkommen oder wegen der von Trump vorangetriebenen Pläne für eine Grenzmauer.

Die Zustimmung zu Lopez Obrador wurde unter anderem von der Gewalt im Lande getrieben. Die Mordrate ist eine der höchsten in der Geschichte des Landes, im Wahlkampf wurden mehr als 100 Politiker ermordet. Seitdem Präsident Felipe Calderon 2007 die Armee gegen die Drogenkartelle schickte, sind etwa 230.000 Menschen getötet worden. Das zukünftige Staatsoberhaupt hat hier einen weniger aggressiven Ansatz angekündigt. Allerdings bleiben viele Einzelheiten vage.

Lopez Obrador hatte schon 2006 und 2012 fürs höchste Staatsamt kandidiert. Der aus dem südöstlichen Bundesstaat Tabasco stammende Politiker hatte seine politische Karriere in der PRI begonnen, die in Mexiko von 1929 bis 2000 ununterbrochen regierte und 2012 noch einmal die Präsidentenwahl gewann. Wie etliche andere PRI-Politiker wandte er sich Ende der 1980er Jahre von ihr ab, als die Partei von einem nationalistischen auf einen wirtschaftsliberalen Kurs schwenkte. Er war lange Mitglied der neuen Mitte-Links-Partei PRD, für die er von 2000 bis 2005 Bürgermeister von Mexiko-Stadt war. Von der PRD wechselte er zur Bewegung Morena.

Rund 89 Millionen Menschen waren am Sonntag wahlberechtigt. Laut Teilergebnissen lag die Wahlbeteiligung bei mehr als 62 Prozent. Auch in Mexiko-Stadt konnte sich die Partei Lopez Obradors durchsetzen. Nach ersten Auszählungen wurde dort Claudia Sheinbaum zur neuen Bürgermeisterin gewählt. Sheinbaum ist die erste Frau, die in dieses Amt gewählt wurde.

Die Wahl verlief nach Angaben von Beobachtern ohne größere Zwischenfälle. „Was wir sehen, ist Harmonie und eine massenhafte Wahlbeteiligung“, sagte der Chef der Wahlbeobachtungsmission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Leonel Fernandez, Ex-Präsident der Dominikanischen Republik. Im ganzen Land waren mehr als 157.000 Wahlzentren geöffnet. Der Wahlkampf in Mexiko war von Gewalt gegen Politiker überschattet worden. In den vergangenen zehn Monaten wurden mehr als 120 Politiker umgebracht.

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