Fußball-WM: Kroatien träumt nach „wichtigstem Spiel“ einer Generation
Nischni Nowgorod (APA/dpa/Reuters/AFP) - Luka Modric war einfach nur erleichtert. „Ich möchte nicht sagen, dass es das wichtigste Spiel unse...
Nischni Nowgorod (APA/dpa/Reuters/AFP) - Luka Modric war einfach nur erleichtert. „Ich möchte nicht sagen, dass es das wichtigste Spiel unserer Generation war, aber doch, das war es. Es war hart, aber wir haben überlebt“, sagte Kroatiens Kapitän nach dem Elfmeter-Krimi im Achtelfinale der Fußball-WM gegen Dänemark. Der Topstar selbst hatte in der Verlängerung einen Elfer zur möglichen Vorentscheidung vergeben.
Das Spiel in Nischni Nowgorod war für Kroatien weit mehr als ein WM-Achtelfinale. Immer wieder kommen sie, die Vergleiche mit 1998, als Davor Suker und Co. bei der WM-Premiere des Balkan-Landes ins Halbfinale gestürmt waren - Vergleiche, die offenbar auch auf Modric‘ Schultern lasten. Auch der 32-Jährige von Real Madrid wusste, dass bei einer Niederlage in der Heimat das Urteil über seine „goldene Generation“ gefällt worden wäre.
Es ging gerade noch einmal gut. Die Kroaten vermochten in 120 Minuten gegen die Dänen zwar alles andere als zu überzeugen. Mitunter war der Außenseiter sogar die gefährlichere Mannschaft. Im Elfmeterschießen fand man aber einen ungewöhnlichen Helden. Nicht der spielerische Glanz von Modric oder Ivan Rakitic war es, der Kroatien in die nächste Runde führte, sondern Torhüter Danijel Subasic, der drei dänische Elfer entschärfte.
„Der Held Subasic hat dem Drama ein Ende bereitet“, schrieb die Zeitung „Vecernji list“ am Montag und befand: „Diese Generation hat das verdient.“ Und trotz des matten Auftritts gegen die Dänen ist mehr möglich. „Ich hoffe, wir können die Überraschung dieser WM werden“, sagte Suker, der Torschützenkönig der WM 1998, der mittlerweile kroatischer Verbandspräsident ist.
Nach Deutschland und Argentinien hat sich mit Spanien am Sonntag ein weiterer Topfavorit verabschiedet. Die Kroaten treffen im Viertelfinale am Samstag (20.00 Uhr MESZ) in Sotschi nun überraschend auf Gastgeber Russland - und gelten auch dort als Favorit. „Ich hoffe, es kommt noch mehr“, sagte Modric, der beinahe zur tragischen Figur geworden wäre. In der 116. Minute scheiterte der Real-Star, der eine herausragende Gruppenphase gespielt hatte, noch mit seinem Strafstoß an Dänemark-Keeper Kasper Schmeichel. Im Elferschießen trat er noch einmal an - und hatte Glück, dass Schmeichel seinen mittig angetragenen Versuch nicht mit den Füßen parierte.
Am Ende war alles egal, Modric jubelte mit seiner Familie auf dem Platz. „Ich bin fasziniert von seiner Bereitschaft, erneut anzutreten. Er hat als wahrer Kapitän Verantwortung übernommen“, lobte Teamchef Zlatko Dalic seinen Führungsspieler. „Man kann sich vorstellen, was passiert wäre, wenn er verschossen hätte? Er ist ein großartiger Spieler.“
Bei den Kroaten waren nach dem vergebenen Modric-Elfer sofort Erinnerungen an 2008 wach geworden. Damals unterlagen sie in einem völlig verrückten EM-Viertelfinale in Wien der Türkei im Elfmeterschießen. Modric, damals noch ein 22-jähriges Supertalent, war beim dramatischen 1:1 im Prater der überragende Mann auf dem Platz gewesen - um dann im Elferschießen den ersten Versuch neben das Tor zu schießen.
„Es scheint, dass unsere Generation nichts normal machen kann, wie vor zehn Jahren gegen die Türkei“, meinte Barcelona-Star Rakitic, dem damals in Wien ebenfalls die Nerven versagt hatten. Es war eine von vielen verpassten Chancen für die Kroaten. 2018 soll alles anders werden - nicht zuletzt ob des günstigen Turnierplans.
„Ohne Glück kann man im Leben nichts erreichen“, meinte Dalic nach dem Aufstieg. Gleichzeitig warnte der Teamchef aber davor, die Russen zu unterschätzen. „Das wird ein heißes Spiel in Sotschi. Keiner wird uns dort mögen“, sagte Dalic. „Es wird ein großer Test für uns. Wer gewinnt, spielt zwei weitere Spiele. Wir kommen von weit her, wollen hier aber nicht aufhören.“
Und so werden schon Vergleiche mit Italien 2006 gezogen. Damals lastete ein Manipulationsskandal um Juventus Turin auf der italienischen Mannschaft, dennoch holte sie in Deutschland den WM-Titel. In Kroatien ist es dieser Tage ähnlich. Der frühere Dinamo-Zagreb-Präsident Zdravko Mamic wurde erst kurz vor der WM verhaftet, weil er sich einer Haftstrafe entziehen wollte. Mit seinem Bruder Zoran Mamic soll er bei Spielertransfers 17 Millionen Euro veruntreut haben. Modric war in dem Korruptionsprozess als Zeuge einvernommen und anschließend wegen Falschaussage angeklagt worden.