Fußball-WM: 64 Jahre reichen: Schweiz will „endlich Schritt machen“
St. Petersburg (APA/sda/Reuters) - Die Schweiz und Schweden sehen sich bei der Fußball-Weltmeisterschaft für den Viertelfinal-Einzug bereit....
St. Petersburg (APA/sda/Reuters) - Die Schweiz und Schweden sehen sich bei der Fußball-Weltmeisterschaft für den Viertelfinal-Einzug bereit. Wollen die Eidgenossen am Dienstag (16.00 Uhr/live ORF eins) in St. Petersburg zum ersten Mal seit 64 Jahren bei einer WM in die Runde der letzten acht vorstoßen, könnten die Skandinavier eine 24-jährige Durststrecke seit Rang drei in den USA 1994 beenden. Ein Favorit ist schwer auszumachen.
Beide Teams überzeugten in der Gruppenphase durch mannschaftliche Geschlossenheit und brachten Großmächte ins Wanken. Schweden hielt beim 1:2 gegen den später gescheiterten Weltmeister Deutschland lange ein Remis, die Schweiz schaffte ein 1:1 gegen Brasilien. Vor allem bei den Schweizern war die Zuversicht groß. „Schweden ist machbar“, sagte Valon Behrami. Der Mittelfeldmann sprach von einer großen Chance, „endlich diesen Schritt zu machen“. Im Viertelfinale würde der Sieger aus England gegen Kolumbien als Kontrahent warten.
Die „Nati“ war schon mehrmals am Sprung. Vor zwei Jahren scheiterte die SFV-Auswahl bei der EM im Achtelfinale im Elferschießen an Polen. 2014 bei der WM in Brasilien war gegen Argentinien ebenfalls in der ersten K.o.-Runde nach Verlängerung (0:1) Schluss. Der Moment scheint nun günstig, um Geschichte zu schreiben. Die Mannschaft von Trainer Vladimir Petkovic hat bewiesen, dass ihr sechster Platz im FIFA-Ranking kein Zufall ist. Petkovic selbst meinte nach dem Achtelfinal-Aufstieg: „Wir wollen immer mehr. Wir sind nie zufrieden.“
Die Schweiz hat sich ihre Zugehörigkeit zur erweiterten Weltspitze über die Jahre erarbeitet, den Nachweis, mehr schaffen zu können, aber noch nicht erbracht. Dass die einzige Niederlage der vergangenen 20 Länderspiele ausgerechnet im WM-Quali-Schlager bei Europameister Portugal passierte, sehen kritische Beobachter als Indiz dafür, dass die Mannschaft für das ganz Große noch nicht bereit ist. In St. Petersburg ergibt sich die Gelegenheit, dem entgegenzutreten.
Petkovic muss seine Mannschaft allerdings auf wichtigen Positionen umbauen. Mit Kapitän und Rechtsverteidiger Stephan Lichtsteiner und Innenverteidiger Fabian Schär fehlen gleich zwei Säulen der Abwehrkette aufgrund von Gelb-Sperren. Michael Lang, der nach der WM als fünfter Schweizer Teamspieler zu Mönchengladbach wechseln wird, und Johan Djourou dürften ihre Plätze einnehmen. Petkovic hatte keine Sorgen: „Die Mannschaft kann das verkraftet“, betonte er.
Größte Baustelle bleibt der Angriff, in dem Haris Seferovic und Mario Gavranovic bisher wenig gezeigt haben. Beim 2:2 gegen Costa Rica zum Gruppenabschluss war die Leistung insgesamt dürftig. Vor allem bei schnellen Gegenangriffen waren die Schweizer verwundbar. Daran müsse man arbeiten, betonte Behrami. Schließlich würden die Schweden „fast immer auf Konter“ spielen.
Die Nordländer tun dies äußerst effektiv. Sie haben Schwergewichte aus dem Weg räumen müssen, um so weit zu kommen. In der Qualifikation setzten sie sich zunächst gegen die Niederlande durch und schalteten dann im Play-off Italien aus. In Russland gewannen sie die Gruppe mit Titelverteidiger Deutschland. „Solange wir weiter als Team arbeiten, zusammen kämpfen, sind wir schwer zu schlagen“, sagte Kapitän und Abwehrchef Andreas Granqvist.
„Wir haben uns gegen den Weltmeister durchgesetzt, wir machen jetzt einfach weiter. Der Einzug in die nächste Runde war nur ein erster Schritt“, prophezeite Stürmer Marcus Berg. Aus der Ferne traute Zlatan Ibrahimovic der Auswahl sogar den WM-Titel zu. Den Exzentriker vermisst mittlerweile keiner mehr in der Landesauswahl. Der Verzicht auf den Star-Angreifer war eine der vielen Entscheidungen von Teamchef Janne Andersson, die sich als richtig erwiesen haben.
Dass Schwedens Spielweise nicht die spektakulärste ist, lassen die Beteiligten dahingestellt. „Es ist nicht der unterhaltsamste Fußball. Englische Journalisten sagen, wir sind langweilig. Aber wer zur Hölle schert sich darum?“, sagte Albin Ekdal. Effizienz ist die Devise der Schweden. „Glücklicherweise wird Fußball nicht von Tiki-Taka-Pässen entschieden“, scherzte der Mittelfeldstratege, der auf seinen gesperrten Nebenmann Sebastian Larsson verzichten muss. Gustav Svensson steht als Ersatz bereit.