Trumps Stahlzölle als Sargnagel
Washington (APA/AFP) - Die Maschinen kreischen und schwirren, gewaltige Spulen füttern sie mit Stahl: In Poplar Bluff im Bundesstaat Missour...
Washington (APA/AFP) - Die Maschinen kreischen und schwirren, gewaltige Spulen füttern sie mit Stahl: In Poplar Bluff im Bundesstaat Missouri läuft fast jeder zweite Nagel vom Band, der in den USA produziert wird. Doch wie lange noch, ist ungewiss. Viele Arbeiter fürchten, dass die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle auf Stahl für ihre Fabrik zum Sargnagel werden könnten.
Und doch setzen sie weiter auf ihren Präsidenten. Poplar Bluff, ein von schier endlosen Farmen umgebener 17.000-Seelen-Ort im mittleren Westen, ist Trump-Land. Bei der Wahl 2016 gaben ihm hier mehr als 60 Prozent den Vorzug vor der Demokratin Hillary Clinton. Sie glaubten seiner Botschaft von der Wiederauferstehung der verarbeitenden Industrie. Und viele von ihnen glauben das noch immer.
„Ich will einfach, dass für Amerika faire Wettbewerbsbedingungen gelten“, sagt Sean Hughey, der in der Nagelfabrik der Mid-Continent Nail Corporation den Maschinenpark beaufsichtigt.
Doch seit Trump Strafzölle auf Stahlimporte in die USA verhängt hat, fürchtet er wie viele seiner rund 500 Kollegen um seinen Job. „Leute wie wir, wir haben gedacht: Wir arbeiten beim größten Nagelhersteller in den Vereinigten Staaten - unsere Jobs sollten sicher sein“, sagt Hughey. „Doch offensichtlich sind sie es nicht.“
Die höheren Kosten für Stahl setzen der Firma zu. Die Preise für die eigenen Nägel musste die Mid-Continent Nail Corporation bereits hochsetzen. Gegen importierte Nägel - die als fertige Produkte nicht unter die Zölle fallen - kommt sie damit nicht an.
Inzwischen läutet die Firma auch öffentlich die Alarmglocke. „Diese Politik ist nicht durchdacht“, sagt Chris Pratt, der in der Fabrik für die Finanzen verantwortlich ist. Das Unternehmen hofft nun auf eine Ausnahmeregelung, nach der sie weiter billigen Stahl vom mexikanischen Mutterkonzern Deacero importieren könnte. Damit ist sie nicht allein: Mehr als 20.000 solcher Gesuche hat die Trump-Regierung schon erhalten.
Für die Mid-Continent Nail Corporation aber wird die Zeit knapp. Die Aufträge sind um 70 Prozent eingebrochen, eine der drei Fertigungsstätten, die sich über Poplar Bluff erstrecken, hat die Produktion bereits eingestellt, 60 Arbeiter wurden freigestellt, hunderte weitere könnten folgen.
Schon in einigen Monaten könnten die Lichter ganz ausgehen. „Wir brauchen sofort Hilfe“, sagt der stellvertretende Verkaufschef George Skarich. „Je länger das dauert, desto länger verlieren wir Tag für Tag Geld.“
Für die 54-jährige Diane Brogdon ist die Lage existenzbedrohend. „Ich habe Angst, dass ich alles verliere“, sagt die Maschinenführerin, deren Tochter noch aufs College geht. „Ich bin zu alt, um noch mal neu anfangen zu können.“
Vor gerade einmal acht Monaten fühlte sie sich sicher genug, um ein Haus zu kaufen. Trump unterstützt sie noch immer. Zugleich hofft Brogdon, dass er einige seiner Postionen ändert. „Er muss damit aufhören und an die Leute denken, die wegen seiner Politik ihren Job verlieren könnten.“
Viele ihrer Kollegen hoffen, dass der Präsident ihnen letztlich beispringt. In einer ganzseitigen Anzeige in der örtlichen Zeitung bitten sie ihn um Hilfe: „Mehr als jeder andere Präsident unserer Zeit haben sie Mitgefühl mit US-Arbeitern gezeigt“, heißt es darin.
Nur zweieinhalb Stunden nördlich von Poplar Bluff zeigt sich indes ein anderes Bild: Hier hat die Firma US Steel zuletzt 500 Arbeiter eingestellt, 300 weitere sollen folgen. Und der 28-jährige Sam Anders, der von Stadt zu Stadt reist, um alte Hochöfen zur Stahlproduktion zu reparieren, sagt, er komme mit der Nachfrage kaum hinterher. Sein Mitleid mit der Nagelfabrik hält sich in Grenzen, da sie so stark von billigem ausländischen Stahl abhängt. „Wir nehmen für unsere Anlagen nur Stahl aus Amerika“, sagt Anders.
Wirtschaftsforscherin Laura Baughman schätzt trotz solcher Jobgewinne dennoch, dass durch Trumps Zölle unter dem Strich 400.000 Arbeitsplätze vernichtet werden könnten. „Wir sehen das bereits“, sagt sie.
Daraus Kapital schlagen wollen in Missouri nun die Demokraten. Senatorin Claire McCaskill hat sich das Thema für ihre schwierige Wiederwahl auf die Fahnen geschrieben. „Wir wollen, dass das Problem im Fokus bleibt“, kündigt sie nach einem Besuch in der Nagelfabrik an. „Wir werden versuchen, so viele dieser Jobs zu retten, wie wir können.“