Juncker: Zustand der EU „relativ gut“ - Leitmotiv Österreichs positiv
Straßburg (APA) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat den Zustand der Europäischen Union bei einem Gespräch mit österreichischen...
Straßburg (APA) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat den Zustand der Europäischen Union bei einem Gespräch mit österreichischen Journalisten am Montagabend in Straßburg als „relativ gut“ bezeichnet. Es gebe ein „window of opportunities“ - vor allem, „was wir nach Griechenland, Brexit und Migrationskrise erlebt“ hätten. Das Leitmotiv von Österreichs Präsidentschaft - ein Europa, das schützt - sei positiv.
Das übernehme eigentlich die Prioritätensetzung seiner Antrittsrede im EU-Parlament, so Juncker. Er finde auch das Thema Subsidiarität ein wichtiges, weil es auch europäische Notwendigkeiten beschreibe. Dem versuche er dadurch zu entsprechen, dass die „Regulierungswut, die man meist zurecht beklagt, nach unten korrigiert“. So kämen in seiner Kommission nur mehr 20 bis 22 neue Initiativen jährlich, anstatt 120 bis 130 früher. „Wir haben viele Rechtsakte geprüft und 51 zurückgezogen. Da finde ich mich also in totaler Harmonie mit dem Programmansatz der österreichischen Ratspräsidentschaft“.
Eher verärgert reagierte Juncker auf die Darstellungen einer verzögerten Haltung der Kommission in der Migrationskrise beim Außengrenzschutz. „Da erklingt jetzt überall der Schlachtruf nach mehr Grenzschutz. Aber was haben die Regierungen getan? - Einige sagen, drei Jahre ist nur geredet worden und nichts passiert. Das stimmt nicht. Wir haben Italien, Griechenland unterstützt, Hotspots aufgebaut und das Türkei-Abkommen abgeschlossen. Immerhin sind in der Folge 97 Prozent weniger Flüchtlinge aus der Türkei gekommen. Das ist doch ein Grenzschutz anderer Art. Wenn wir das nicht gemacht hätten, hätten wir ganz andere tragische Bilder von Flüchtlingen an der Grenze gesehen. Ich bitte doch um nüchterne Betrachtung dessen, was erreicht wurde.“
Die Kommission habe schon 2008 unter Barroso und 2013 noch mal einen integralen europäischen Außengrenzschutz vorgeschlagen. „Was haben die Regierungen damit gemacht? - Damals gab es im Vergleich zu 2015 nur mickrige Flüchtlingszahlen. Man hat damals so getan, als ob die Kommission wieder mehr Kompetenzen für sich wolle, um sich den Grenzschutz zu eigen zu machen - gegen die Nationalstaaten.
Zu den am EU-Gipfel beschlossenen Ausschiffungsplattformen in Staaten außerhalb der Union sagte Juncker, „man wird im Detail prüfen müssen, ob dort auch Asylanträge gestellt werden können“. Es gebe eine Innenminister-Sitzung nächste Woche, wo dieses Thema behandelt werde. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte zuvor erklärt, er sei dagegen, dass in solchen Zentren auch Asylanträge gestellt werden können.
Gleichzeitig wiederholte der Kommissionspräsident, dass mit solchen Ausschiffungszentren nicht ein „neokolonialistischer Grundreflex“ ausgelöst werden dürfe. Nach dem Motto, „wir könnten den afrikanischen Partnern vorschreiben, was sie tun könnten“. Es gehe hier um gesonderte Abmachungen mit den nordafrikanischen Ländern. „Ich bin sehr dagegen, dass von Brüssel diktiert wird, was in Afrika passiert“, warnte Juncker.
Bei den Brexit-Verhandlungen habe er die 27 Mitgliedsstaaten vor Einzelvereinbarungen mit Großbritannien gewarnt, so Juncker. „Brexit means Brexit. Wer austritt, hat nicht das Recht, einen größeren Fuß in der Tür zu behalten als der Fuß, den er nach hinten streckt“. Generell sei ihm ein geordneter Austritt der Briten das Liebste. „Das müssen wir bis Oktober November des Jahres leisten“. Wichtig sei die Lösung des irisch-nordirischen Grenzproblems. „Ich hätte gerne das Problem gelöst, bevor wir uns zukunftskräftigeren Themen zuwenden“, so Juncker.
Eine Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 wünsche er sich vor den Europawahlen 2019. „Wenn wir nicht am 1. Jänner 2021 startklar sind verlieren wir viele Forschungsstellen und Hunderttausende Erasmus-Plätze“.
Von Kurz erwarte er sich, dass er „Ernst macht mit dem Satz, dass Österreich immer die Vermittlerrolle und Brückenbauer gespielt hat“. Er „traue ihm das auch zu“. Aber es gehe auch um Kompromisse. „Er weiß, dass auf dem Kompromissteller nicht nur Wiener Schnitzel liegen. Ich bin ein großer Fan von Wiener Schnitzel, überall schreie ich laut danach, aber am besten sind sie in Wien“. Es sei aber zu wenig, wenn es immer nur Wiener Schnitzel gebe. Jedenfalls wünsche er der österreichischen Regierung „guten Schlaf und hellwach sein“. Der Kommissionspräsident meinte, „für mich gibt es da zwischen den Rechten und Österreichs Bundeskanzler mehr als Nuancen, es gibt Unterschiede“.
Von der FPÖ wünscht sich Juncker, dass sie aus dem „Negativverein“ ENF austritt. Dies sei aber nicht seine Entscheidung. „Es liegt nicht an mir, Herrn Strache eine Empfehlung zu machen“. Jedenfalls sei „die FPÖ, wie sie ist - für mich gehört sie nicht in diese Rubrik“ mit Matteo Salvini von der Lega (früher Lega Nord) in Italien und Marine Le Pen von der Front National (jetzt Rassemblement National).