Mit der Mutter Gottes gegen Gift-Fischerei auf den Philippinen
Manila (APA/dpa) - Mehr als ein Messer, eine leere Plastikflasche und ein Stück Schlauch braucht der Fischer von der Philippinen-Insel Bilan...
Manila (APA/dpa) - Mehr als ein Messer, eine leere Plastikflasche und ein Stück Schlauch braucht der Fischer von der Philippinen-Insel Bilangbilangan nicht. Mit dem Messer bohrt Juanito Baculao ein Loch in den Verschluss, steckt den Schlauch hinein und füllt die Flasche mit Meerwasser. Dann noch Zyanid dazu - fertig ist die Vorrichtung, mit der im Pazifik immer noch Giftjagd auf Fische gemacht wird.
Alles in allem kostet eine solche Spritzflasche keine zehn Euro-Cent. Das lohnt sich. Für manchen Fang, der vom Zyanid zwar betäubt, aber noch am Leben ist, wird ein Vielfaches gezahlt. Vor allem, wenn die Fische in teuren Restaurants anderswo in Asien landen, wo sich die Kundschaft aussuchen darf, welcher Fisch auf den Teller kommt. Oder wenn es Zierfische sind, die später in Europa oder den USA durchs Aquarium schwimmen. Ein Korallenbarsch zum Beispiel kann pro Kilogramm 30 Euro bringen.
Die Jagd mit Zyanid ist auch in Asien seit vielen Jahren verboten, genauso wie die Fischerei mit Dynamit. Giftwolken und Sprengsätze haben schon ganze Korallenriffe zerstört. Man kann die Schäden an vielen Stellen sogar beim Schnorcheln sehen, in der Philippinensee genauso wie im Meer vor der indonesischen Insel Sulawesi. Trotzdem fahren die Boote für das verbotene Geschäft jeden Tag wieder aus.
Die Strafen von rund 40 Euro pro Person schrecken nur wenige ab. Kontrollen gibt es kaum. Erwischt wird nur selten jemand. Der Chef der Kontrollbehörde der Gemeinde Bien Unido, Roberto Rosales, sagt: „Wir haben hier 500 Quadratkilometer offene See. Illegale Fischerei können wir nicht zu hundert Prozent verhindern. Nur dafür sorgen, dass es weniger wird.“ Von Gesetz wegen wären auf den Philippinen sogar Haftstrafen möglich. Aber solch ein Urteil gab es noch nie.
Beim Zyanid-Fischen tauchen die Fischer ihrer Beute hinterher. Wenn sich die Tiere in den Korallen verstecken, kommt die Plastikflasche zum Einsatz. Das Gift wird ins Versteck gespritzt, der Fisch gelähmt, eingesammelt und nach oben gebracht. Das ist weniger brutal als die Fischerei mit Dynamit, das in Glasflaschen gezündet wird und den Fischen die Organe zerreißt, so dass sie tot nach oben treiben. Weniger schädlich ist es nicht.
Das Gift tötet zwar nicht die Fische, vernichtet aber die Algen - und damit auch die Korallen, die ohne Algen nicht überleben. Manchmal dauert es Jahre, bis ein Riff wieder bewohnbar ist. Manchmal bleibt es für immer tot. Möglicherweise leiden auch die Menschen. Baculao, einer von 1.200 Fischern auf Bilangbilangan, sagt: „Bei uns gibt es seit einiger Zeit ungewöhnlich viele Krebserkrankungen. Das ist halt Gift.“ Ob das Zyanid tatsächlich der Grund für die Erkrankungen ist, weiß man nicht.
Der 55-Jährige, der selber jahrelang mit Zyanid gefischt hatte, ist gesund geblieben. Dass er damit aufhörte, hat aber letztlich mehr mit der Heiligen Maria Mutter Gottes zu tun als mit der Angst vor Strafen oder der Sorge um seine Gesundheit. 2010 hat die Gemeinde eine Madonnen-Statue in einer Tiefe von 30 Metern auf den Meeresboden gestellt, um die Fischer zum respektvollen Umgang mit der Natur zu mahnen. In einem so katholischen Land wie den Philippinen hatte dies Erfolg. Die Korallen hier haben sich deutlich erholt.
Aber natürlich kann das Aufstellen von Madonnen-Statuen keine Lösung für überall sein. Hoffnung gibt es jetzt durch eine verhältnismäßig neue Analysemethode, mit der sehr einfach festgestellt werden kann, ob ein Fisch mit Zyanid in Kontakt kam. Dazu muss in seiner Nähe nur eine spezielle Elektrode ins Wasser gehalten werden. Nach kurzer Zeit zeigt sie an, ob das Stoffwechselprodukt Thiozyanat aufgespürt werden konnte, dass Fische nach einer Gift-Attacke ausscheiden.
Nach einer Studie der Universität Aveiro in Portugal sind etwa 15 Prozent der Korallenfische im EU-Tierhandel mit Zyanid belastet. Deutschland ist nach Großbritannien zweitgrößter Importeur. Umweltschützer fordern eine Art europäisches Gütesiegel.
(S E R V I C E - Studie der Universität Aveiro: http://dpaq.de/erpX2 - WWF zu illegaler Fischerei mit Zyanid auf Philippinen: http://dpaq.de/86L3I)