Körpersprache - Kurz „kein Schreier“ - Zurückhaltung wirkt vernünftig

Brüssel (APA) - Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sei in seiner Körpersprache „der Inbegriff der Zurückhaltung“. Seine Inhalte würden aufgr...

Brüssel (APA) - Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sei in seiner Körpersprache „der Inbegriff der Zurückhaltung“. Seine Inhalte würden aufgrund seiner gemäßigten Bewegungen vernünftig wirken. „Zum anderen vermittelt seine weit um sich blickende Körpersprache, als seien seine Worte allgemeiner Konsens“, analysiert der Experte für Körpersprache, Stefan Verra, die Rede des Kanzlers vor dem EU-Parlament am Dienstag.

Kurz sei „kein Schreier“ und „keiner, den man so schnell ins Populisten-Eck drängen kann“, sagte Verra, der sich in seiner Analyse nur auf den körperlichen Ausdruck bezieht. Die „Le Pens, Salvinis und Boris Johnsons dieser Zeit“ würden auf den Tisch hauen, „brüllen in Mikrofone und gestikulieren deutlich vor sich hin“. Damit würden sie vor allem die Angstvollen erreichen. „Wer die gleichen Signale zeigt wie ich, der ist emotional gleich eingestellt wie ich. Er versteht mich also. Auf den kann ich mich verlassen“, sagt Verra im Gespräch mit der APA. Bestes Beispiel sei US-Präsident Donald Trump.

Der österreichische Bundeskanzler nütze dagegen eine andere Möglichkeit. „Seine Körpersprache ist der Inbegriff der Zurückhaltung“, sagt Verra. Die Hände meist vor dem Bauch gehalten, lasse er diese sanft auf- und abschwingen, fast so, als würde er eine Salatschüssel schwingen, derartige Bewegungen wirkten beruhigend, sagt der Experte.

Ein weiterer Punkt: „Kurz spricht frei. So hat er die Möglichkeit, jeden Menschen anzuschauen“, analysiert Verra. Dabei drehe er sich von ganz links bis ganz rechts und vermittle damit auch den Fernsehzuschauern, dass ihm viele Menschen zuhören. „Das ist extrem suggestiv. Wir glauben, seine Worte sind Allgemeingut“, so Verra. Seine Stimme bleibe dabei nahezu immer ruhig, „kein aufgeregtes auf und ab“. Dies wirke „unaufgeregt, so als hätte er alles unter Kontrolle“.

Den Kopf halte Kurz oft zur Seite geneigt, wodurch er wenig aggressiv wirke. „Immer wieder hebt er die Augenbrauen in der Mitte ein wenig an. Genauso wie eine besorgte Mutter das bei ihrem weinenden Kind macht“, erläuterte der Experte. Durch das Vermissen von Aggressivität könne Kurz auch emotionalisierende Inhalte wie Grenzschließungen und Flüchtlingslager ansprechen, ohne abschreckend zu wirken.

Weniger positiv sieht Verra den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Dieser wirke körpersprachlich „wie ein guter Vater der Menschen im Europaparlament“. Juncker habe zwar ein großes Talent, Variabilität in seinem körperlichen Ausdruck herzustellen und schaffe damit ganz schnell Nähe, erinnert Verra an dessen joviale Umgangsformen. „Er ist ein interner Kitt. Aber er schafft es nicht, so zu kommunizieren, dass Leute auf der Straße das attraktiv finden.“

Den Großteil der Redner im Europaparlament hält Verra für „unglaublich schwach“. Die meisten EU-Volksvertreter würden nervös von einem Zettel herunterlesen. Für Zuschauer interessant sei dagegen beispielsweise Liberalen-Chef Guy Verhofstadt. „Er zeigt genau diese intensiven Signale, die für Zorn, Aufregung und auch Angst stehen. Allerdings ist er inhaltlich gemäßigter. Dies sei eine Chance, diese Inhalte auf eine größere Bühne zu heben.

Generell meint Verra, würden Menschen ihr Urteil über Politiker nicht in erster Linie durch Worte und Inhalte, sondern auf Basis von Gefühlen treffen. „Wir müssen das Stamm- und Mittelhirn der Menschen treffen, nicht ausschließlich an den Neocortex hinfunken, wo das rationale Denken sitzt.“

Verra (45), geboren in Lienz, lebt derzeit in München. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit Körpersprache und analysiert regelmäßig Politiker für Medien und Interessierte und hält weltweit Vorträge zum Thema. Verra ist auch Buchautor und Coach.