Österreich will auf deutschen Asylkompromiss „entsprechend reagieren“

Straßburg/Wien/Berlin (APA) - Österreich lässt seine Reaktion auf die geplante Zurückweisung von Asylbewerbern aus Deutschland offen. Man we...

Straßburg/Wien/Berlin (APA) - Österreich lässt seine Reaktion auf die geplante Zurückweisung von Asylbewerbern aus Deutschland offen. Man werde „natürlich entsprechend reagieren“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag in Straßburg. Die Opposition warf der schwarz-blauen Regierung vor, den Asylkompromiss durch ihre Unterstützung für die bayerische CSU mitverursacht zu haben. Kritik gab es auch aus FPÖ-Reihen.

„Sollte diese Einigung so zur deutschen Regierungsposition werden, sehen wir uns dazu veranlasst, Handlungen zu setzen, um Nachteile für Österreich und seine Bevölkerung abzuwenden. Die Bundesregierung ist daher darauf vorbereitet, insbesondere Maßnahmen zum Schutz unserer Südgrenzen zu ergreifen“, teilten Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Dienstagvormittag in einer Aussendung mit.

Die drei wollten sich am späten Nachmittag in einer Pressekonferenz näher zur österreichischen Reaktion äußern. Der Kanzler verwies am Rande seines Auftritts im Europaparlament darauf, dass es sich zunächst nur um einen Kompromiss der Unionsparteien handle und noch die SPD zustimmen müsse. Diese zeigte sich kritisch zur Einigung. So sprach SPD-Chefin Andrea Nahles am Dienstag davon, dass es „noch ungedeckte Schecks in dieser Verabredung“ gebe und verwies auf erforderliche Abkommen mit Österreich und Italien zur Rücknahme von Flüchtlingen.

Die Einigung der Unionsparteien sieht anderem die Einrichtung von Transitzentren für Migranten an der Grenze zu Österreich vor. Diese Transitzentren sollen eine Zurückweisung von Migranten, die schon in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, auf Basis einer „Fiktion der Nichteinreise“ ermöglichen.

Die Zurückweisungen sollen erfolgen, indem Deutschland „mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließ(t) oder das Benehmen herstellt“, heißt es in dem Drei-Punkte-Papier. In Fällen, in denen dies nicht möglich sei, „findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt“.

Der Kompromiss geht auf den Einsatz von CSU-Chef Horst Seehofer zurück, der gedroht hatte, Asylbewerber in seiner Eigenschaft als Innenminister notfalls im Alleingang zurückweisen zu wollen. Seehofer will am Donnerstag nach Wien kommen, um mit der österreichischen Regierungsspitze über die Maßnahmen zu beraten. Am Dienstag in der Früh berichtete er von einem Telefongespräch mit Kanzler Kurz. „Ich habe den Eindruck, dass er an vernünftigen Lösungen interessiert ist“, sagte er.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini reagierte erfreut auf eine mögliche Brennerschließung durch Österreich. „Für Italien wäre das ein Geschäft. Es sind mehr Migranten, die von Österreich nach Italien ziehen, als umgekehrt. Ich bin bereit, schon ab morgen auf italienischer Seite Brennerkontrollen einzuführen, denn davon kann Italien nur profitieren“, so Salvini im Interview mit dem TV-Sender RAI. Er kündigte an, noch am Dienstagnachmittag mit Kickl telefonieren zu wollen. Das slowenische Innenministerium äußerte sich zurückhaltend und teilte der APA auf Anfrage mit, dass man noch auf „Erläuterungen“ seitens der deutschen und österreichischen Regierung warte.

Mit Sorge reagierten die österreichischen Landeshauptleute auf den Asylkompromiss. Oberösterreichs Thomas Stelzer (ÖVP) sagte, dass Österreich bzw. Oberösterreich das Problem Asyl „nicht erben“ wolle. Sein Salzburger Kollege Wilfried Haslauer (ÖVP) sagte, dass sein Bundesland nicht zum „Wartebereich“ für Migranten werden dürfe. „Man muss sich erst die Auswirkungen auf Tirol anschauen“, sagte der Tiroler Landeschef Günther Platter (ÖVP). Die Lage am Brenner sei zwar „im Griff“ und die Zahl der Dublin-Fälle sei „überschaubar“. „So ohne ist die ganze Situation aber nicht.“ FPÖ-Vizechef Manfred Haimbuchner kritisierte die Pläne als „Wahlkampfgetöse“ der bayerischen CSU und „kurzsichtige und populistische Maßnahmen“.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sagte am Rande eines Besuchs im luxemburgischen Schengen, die deutsche Einigung werfe „eine ganze Reihe von europarechtlichen Fragen auf“. Die Vorstellung, „dass jemand, der nicht registriert wurde, als in Deutschland gar nicht eingereist gilt - das ist eine Fiktion, mit der ich als Juristin nicht ganz zurecht komme“, sagte sie mit Blick auf die „Transitzentren“.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte jedoch in Straßburg, dass der deutsche Asylkompromiss nach einer ersten Analyse mit EU-Recht vereinbar sei. Was der Kompromiss in der Folge für andere heiße, „das vermag ich aus jetziger Sicht nicht abzusehen“, fügte er in Anspielung auf Staaten wie Österreich hinzu. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn pochte neuerlich auf eine europäische Lösung, weil sonst der Schengen-Raum ins „Wackeln“ geraten könnte.

Scharf äußerte sich Oppositionsführer Christian Kern (SPÖ). „Seehofer und Merkel haben ihren Konflikt auf Kosten Österreichs geschlichtet“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ und machte Kanzler Kurz mitverantwortlich. „Kurz hat sich einseitig in einen innerdeutschen Streit zwischen CDU und CSU eingemischt und die deutsche Regierung hat Kurz nun die Rechnung für dieses Verhalten serviert.“ Kritisch äußerten sich auch NEOS und die Liste Pilz. „Er hat sich in einen Pallawatsch hineingeritten“, sagte Strolz mit Blick auf den Kanzler. „Wenn er sich in innerdeutsche Konflikte einmischt, kommen dabei solche Maßnahmen heraus.“ Liste-Pilz-Klubchef Bruno Rossmann kündigte für Mittwoch eine Dringliche Anfrage zum Thema „Schutz unserer Südgrenzen“ an den Kanzler an. Rossmann sah „das Ende Europas“ eingeläutet.

(Grafik Nr. 0713-18, Format 88 x 94 mm)

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