Beate Zschäpes Bitte um Gnade kommt spät - vermutlich zu spät
München (APA/AFP/dpa) - Zum Ende des NSU-Prozesses in Deutschland hat sich die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe noch einmal von d...
München (APA/AFP/dpa) - Zum Ende des NSU-Prozesses in Deutschland hat sich die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe noch einmal von den Morden und Anschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ distanziert. Gleichzeitig entschuldigte sie sich am Dienstag für das Leid, das sie selber verursacht habe, und sprach den Opfer-Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Am 11. Juli spricht das Gericht sein Urteil.
Nach mehr als 430 Verhandlungstagen ergriff Zschäpe noch einmal das Wort. Nur wenige Minuten benötigte sie, um von ihrer Festnahme 2011 über ihr viel kritisiertes Verhalten im Prozess bis zu einer Entschuldigung an die Angehörigen der NSU-Mordopfer alles abzureißen, was ihr zum Schluss des Mammutprozesses wichtig erschien. Den entscheidenden Satz sagt sie ganz am Ende, es ist die Bitte um Gnade: „Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, was ich weder gewollt noch getan habe.“
In dem seit Mai 2013 andauernden NSU-Prozess hatte sich Zschäpe bisher erst einmal persönlich zu Wort gemeldet. Ansonsten äußerte sie sich nur in schriftlichen Einlassungen. Nun, an diesem vorletzten Tag vor dem vom Gericht auf den Mittwoch kommender Woche festgesetzten Urteilstermin, sprach sie so ausführlich, dass eine Frage zwingend erscheint: Was wäre, wenn sie diese Sätze ganz zu Beginn gesagt hätte - oder zumindest in der intensiven Beweisaufnahme?
Zschäpe sagt etwa: „Ich möchte nur noch eines - einen Abschluss finden, um irgendwann ein Leben ohne Abhängigkeit, ohne Gewalt und Ängste jeglicher Art führen zu können.“ Oder: „Ich wollte und will die Verantwortung für die Dinge übernehmen, die ich selbst verschuldet habe, und entschuldige mich für all das Leid, was ich verursacht habe.“ Das sind Sätze, die ein Gericht als Reue bewerten könnte und als Gesinnungswandel.
Die Bundesanwaltschaft forderte die Höchststrafe für Zschäpe: lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld sowie anschließende Sicherungsverwahrung.
Die Anklage sieht die heute 43-Jährige als Mittäterin an allen Verbrechen des NSU: den neun Morden an türkisch- und griechischstämmigen Gewerbetreibenden, dem Mord an einer deutschen Polizistin, zwei Bombenschlägen mit Dutzenden Verletzten sowie an insgesamt 15 Raubüberfällen. Im November 2011 setzte Zschäpe zudem die letzte Fluchtwohnung des NSU in Zwickau in Brand - nachdem sich ihre Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach selbst erschossen hatten. Auch für die vier Mitangeklagten forderte die Bundesanwaltschaft teils langjährige Haftstrafen.
Zschäpes zwei Verteidiger-Teams forderten dagegen den Freispruch von allen Morden und Anschlägen. Zschäpe sei keine Mittäterin, keine Mörderin und keine Attentäterin. Von den Morden und Anschlägen will sie immer erst im Nachhinein erfahren haben. Nur von Raubüberfällen will sie gewusst und diese goutiert haben. Gestanden hat sie zudem, die letzte Wohnung des Trios in Zwickau in Brand gesteckt zu haben.