Russischer Memorial-Historiker wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt

Moskau (APA/AFP) - Der für seine Forschungen über die Verbrechen in der Stalin-Zeit bekannte russische Historiker Juri Dmitrijew ist wegen d...

Moskau (APA/AFP) - Der für seine Forschungen über die Verbrechen in der Stalin-Zeit bekannte russische Historiker Juri Dmitrijew ist wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs angeklagt worden. Im Falle einer Verurteilung wegen angeblicher Vergehen an seiner Adoptivtochter drohen dem Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Memorial bis zu 20 Jahre Gefängnis, wie die Ermittlungsbehörden am Dienstag mitteilten.

Menschenrechtsaktivisten sehen das Vorgehen gegen Dimitrijew als einen Versuch der Behörden, den Historiker mundtot zu machen, der die Aufmerksamkeit auf eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte des Landes gelenkt hat.

Die Ermittler beschuldigen den 62-Jährigen, seine minderjährige Adoptivtochter zwischen 2012 und 2016 sexuell missbraucht zu haben. Dmitrijew weist die Vorwürfe entschieden zurück. Im April war Dmitrijew in einem weiteren Prozess vom Vorwurf der Kinderpornografie freigesprochen worden. Ermittler hatten zuvor in der Wohnung des Historikers Nacktbilder seiner Tochter gefunden.

Vergangene Woche hob ein Revisionsgericht den Freispruch jedoch wieder auf, Dmitrijew wurde erneut festgenommen. Nach Angaben seines Anwalts hatte Dmitrijew seine behinderte Adoptivtochter nackt fotografiert, um über die Jahre ihre Wachstumsentwicklung zu dokumentieren.

Die Nichtregierungsorganisation Memorial widmet sich unter anderem der historischen Aufarbeitung der Repression in der Sowjetära. Dmitrijew hat in fast 30-jähriger Arbeit unter anderem eine Liste mit den Namen von 40.000 Sowjetbürgern erstellt, die in Karelien im Nordwesten Russlands unter dem Diktator Josef Stalin ermordet oder deportiert wurden. Die Untersuchungen des Gulag-Forschers führten auch zur Entdeckung eines Massengrabes mit den Überresten von rund 9000 Menschen, die zur Sowjetzeit erschossen worden waren.

Menschenrechtsgruppen werfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, die Verbrechen der Stalin-Ära weitgehend unter den Teppich kehren zu wollen.