Deutsche Asylpläne: EU-Rechtler sieht Österreich unter Druck
Wenn Deutschland seine Asylpolitik ändere und Italien keine Flüchtlinge zurücknehme, gerate Österreich unter Druck, sagt EU-Rechtler Obwexer.
Deutschland will auf seinem Hoheitsgebiet Transitzentren errichten, von wo aus Flüchtlinge zurückgeschickt werden sollen. Sind solche Transitzentren EU-konform?
Walter Obwexer: Ja, die Mitgliedstaaten dürfen Transitzentren errichten, wenn Schutzsuchende dort den Grundrechten entsprechend behandelt und Asylverfahren rasch abgewickelt werden.
Deutschland will die Zentren zu exterritorialem Gebiet erklären. Geht das?
Obwexer: Das ist EU-widrig. Das geht nicht. Es ist aber ganz klar, warum das Deutschland will. Wenn Deutschland einen Asylwerber nach Italien zurückschieben will, muss es ein Rückübernahmeansuchen an Italien stellen. Wenn Italien, so wie es Italiens Innenminister Matteo Salvini schon mehrmals gesagt hat, keine Asylwerber mehr zurücknimmt und das Prozedere länger dauert als sechs Monate, fällt die Verantwortung auf Deutschland zurück. Deutschland müsste dann wiederum prüfen, ob der Asylwerber zu Recht Asyl bekommt oder nicht.
Es wurden immer wieder Asylwerber von Deutschland nach Österreich zurückgeschickt und Österreich hat dasselbe mit Italien gemacht. Was ist jetzt also neu?
Obwexer: Neu ist, dass Deutschland bis dato den überwiegenden Teil der Menschen aufgenommen hat und sich jetzt die Flüchtlingspolitik Deutschlands ändert. Neu ist auch die Haltung Italiens. Die neue Regierung will keine Asylwerber zurücknehmen. Dadurch gerät Österreich unter Druck.
Die österreichische Bundesregierung hat Maßnahmen zum Schutz der Südgrenze angekündigt. Dürfen wir Grenzkontrollen direkt am Brenner durchführen?
Obwexer: Wenn eine höhere Zahl an Schutzsuchenden ins Land will und eine Gefährdung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung gegeben ist, kann es Grenzkontrollen am Brenner geben. Das müsste dann die EU-Kommission beschließen oder der Rat müsste eine Empfehlung aussprechen.
Wie lange kann die Grenze am Brenner kontrolliert werden?
Obwexer: Bis zu zwei Jahre lang. Alle sechs Monate wird evaluiert, so wie bei den Grenzkontrollen in Kiefersfelden.
Trotz der Ergebnisse am EU-Gipfel zeichnen sich jetzt wieder nationale Alleingänge ab. Zerbricht die EU an der Flüchtlingsfrage?
Obwexer: Für die Union ist das alles andere als gut. Ich hoffe doch, dass die Staaten den Ernst der Lage erkennen und nicht wegen der Migrationsfrage das Projekt Europa platzen lassen. Für die Staaten hätte das fatale Folgen. Die Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen und in einer globalisierten Welt hat vielleicht noch Deutschland aufgrund seiner Größe und Wirtschaftsmacht eine Chance zu überleben. Die kleinen Staaten würden ordentlich ins Trudeln geraten.
Am EU-Gipfel wurde unter anderem beschlossen, die EU-Außengrenzen stärker zu schützen. Das dauert bis zur Umsetzung mehrere Jahre. Reicht dafür die Geduld der Staaten?
Obwexer: Es stimmt, die Umsetzung der Ziele wird in einem Jahr nicht zu schaffen sein. Am Gipfel hat man sich zu einer Änderung der Flüchtlingspolitik bekannt. Diese Linie sollte so rasch wie möglich umgesetzt werden. Das Hauptproblem in Europa ist, dass es keine verpflichtenden Quoten zur Verteilung der Flüchtlinge gibt.
Ungarn sträubt sich weiter.
Obwexer: Ungarn hat seine Quote längst erfüllt, verkauft es aber anders. Es müsste 1200 Asylwerber aufnehmen und hat 1300 im Land.
Das Gespräch führte Anita Heubacher