Justizreform Polens - Morawiecki betont nationale Identität

Warschau/Brüssel/Straßburg (APA) - Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat angesichts der Kritik der EU-Kommission an der Rechtsstaatli...

Warschau/Brüssel/Straßburg (APA) - Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat angesichts der Kritik der EU-Kommission an der Rechtsstaatlichkeit die „nationale Identität“ seines Landes betont. Die Stärke Europas „speist sich aus den Nationalstaaten“, betonte er Mittwoch im Europaparlament in Straßburg, ohne konkret auf die Kritik einzugehen.

Der Vizepräsident der EU-Kommission Valdis Dombrovskis würdigte zwar die Leistungen Polens seit dem EU-Beitritt, doch sei die Europäische Union „letztlich eine Gemeinschaft des Rechts“. Wenn es „eine systematische Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit gibt, kann man nicht einfach die Augen verschließen und sagen, dass das rein national ist. Wo die Gewaltenteilung geschwächt oder die Unabhängigkeit der Justiz bedroht ist, wird die gesamte Gemeinschaft berührt“. Doch die Kommission werde immer offen gegenüber Polen sein und den Dialog führen. Fortschritte seien möglich. So habe der Premier gezeigt, dass er eine Reihe von Gesetzen abändere, etwa das Pensionierungsalter von Richtern. Doch „das reicht bisher noch nicht. Hoffentlich wird es weitere Veränderungen der polnischen Gesetze geben, damit nicht 40 Prozent der Richter des Obersten Gerichtshofs ersetzt werden“, so Dombrovskis.

Morawiecki hatte die Parlamentsdebatte mit einer Art Grundsatzerklärung begonnen und die Verdienste seines Landes in zahlreichen Bereichen aufgezeigt. Gleichzeitig kritisierte er das Vorhaben der EU-Kommission, im Rahmen des nächsten Mehrjahresbudgets die Kohäsionsgelder zu kürzen. Die Kohäsionspolitik bringe auch riesige Vorteile „für die, die heute am lautesten nach einer Begrenzung der Kohäsion schreien. 70 Prozent jedes Euro fließt heute in Form von Aufträgen an die Nettozahler zurück“, so der Premier. Der „Versuch, die Kohäsionspolitik zu beschneiden, ist ein Populismus unter europäischer Flagge“, empörte sich Morawiecki.

Dombrovskis hielt dem entgegen, dass Polen weiterhin trotz Kürzungen die höchsten Kohäsionsgelder erhalten werde. Bisher seien es 86 Mrd. Euro gewesen. Damit habe Polen 13.000 Kilometer Straßen bauen können und mehr als neun Millionen Bürger hätten Zugang zu Breitbandinternet erhalten. Die Wirtschaft Polens werde immer stärker. Nun soll diese Betrag der Kohäsionsmittel auf 72 Mrd. Euro geringfügig reduziert werden. „Aber jeder polnische Bürger erhält damit immer noch mehr als doppelt so viel wie der Durchschnitt der gesamten EU“.

Morawiecki betonte immer wieder, dass die „Achtung der nationalen Identitäten eine Stütze der EU“ seien. Kritisch zeigte er sich, dass angesichts der „Kumulierung von Krisen“ in der EU - Griechenland, Finanzkrise, Migration, Brexit oder „aggressive russische Politik“ viele Menschen keine Begeisterung mehr für Europa aufbringen könnten. Hier müssten Fehler der Vergangenheit korrigiert werden. Wenn Menschen das Gefühl hätten, keinen Einfluss mehr zu haben, würden sie versuchen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. „Viele nennen das Populismus“, doch in Wahrheit „erlebt heute Europa ein demokratisches Erwachen“ und nun sei ein neuer Gesellschaftsvertrag notwendig. Morawiecki präsentierte auch gleich einen drei Punkte umfassenden Vertrag, der eine Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und damit des Binnenmarktes vorsieht, ferner eine neue Sicherheitsarchitektur Europas und drittens eine Union der Bürger.

~ WEB http://www.europarl.europa.eu/portal/de ~ APA134 2018-07-04/10:27