Justizreform Polens - Klare Mehrheit des EU-Parlaments sehr kritisch
Straßburg/Warschau/Brüssel (APA) - Nach der Rede des polnischen Regierungschefs Mateusz Morawiecki am Mittwoch im Europaparlament in Straßbu...
Straßburg/Warschau/Brüssel (APA) - Nach der Rede des polnischen Regierungschefs Mateusz Morawiecki am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg kritisierten Vertreter der großen Fraktionen die polnische Justizreform scharf. Morawiecki verteidigte die Reform dadurch, dass es immer noch Richter aus der Zeit des Kriegsrechts während kommunistischer Herrschaft in Polen gebe. „Wir bekämpfen das mit dieser Reform“, so der Premier.
Polen habe mit der ersten Verfassung von 1791 Europa die Gewaltenteilung gebracht, meinte EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Daher sei es nicht verständlich, dass in Polen das Staatsfernsehen nun ein Propagandasender sei und Richter entlassen würden. „Wenn sich Polen nicht einsetzen wird für die Errungenschaften der Rechtsstaatlichkeit, dann werden wir das tun“, betonte er. Der sozialdemokratische Fraktionschef Udo Bullmann sagte, gleichzeitig an die Einigkeit des Westens zu appellieren und keinen Beitrag zu den europäischen Werten zu leisten, sei nicht möglich. „Wir wollen Polen in der Mitte Europas haben. Kommen Sie zurück an den Tisch Europas.“
Der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt plädierte dafür, so schnell wie möglich eine europäische Verteidigungsgemeinschaft zu schaffen, nicht um mit der NATO zu konkurrieren, sondern als europäischer Pfeiler in der NATO. Das könne allerdings nur funktionieren wenn wir uns auf die gleichen europäischen Werte berufen können. „Richter politisch zu gängeln gehört nicht zu diesen europäischen Werten“, so Verhofstadt. Die Menschen in Polen demonstrierten mit der blauen Flagge der EU weil sie hoffen, dass sich die EU für die Rechtstaatlichkeit einsetzen werde, sagte die Grüne Fraktionschefin Ska Keller. „Wenn sie Verbündete sind und Zusammenarbeit wollen, müssen sie sich an die Rechtsstaatlichkeit halten“, so Keller an Morawiecki gewandt.
Der polnische Premier wurde in der Debatte nur von Vertretern der Europäischen Konservativen und Reformer, der seine PiS-Partei angehört, und der Fraktion Europa der Nationen und Freiheit, der die FPÖ angehört, unterstützt. Im Anschluss kritisierte Morawiecki, dass seine Regierung anders behandelt werde als die Vorgängerregierung. „Heute sind die Richter viel unabhängiger als früher“ und könnten nicht „hin- und hergeschoben werden“, auch seien Weisungen des Premierministers nun nicht mehr möglich. Man könne auch nicht einem EU-Land die „Bedingungen der Rechtsstaatlichkeit diktieren“. Dies sei „ausschließlich Angelegenheit der Mitgliedsländer“, so der polnische Premier.
Er sprach sich auch für eine Stärkung der militärischen Zusammenarbeit in der EU aus, allerdings ohne den Transatlantismus aufzuheben, betonte die beste wirtschaftliche Entwicklung Polens seit 30 Jahren und zeigte sich mit den Ergebnissen des EU-Gipfels zur Migration sehr zufrieden. Polen wolle bei Verteidigung aber auch bei Migration, wo es viermal so viel wie laut BIP nötig in Entwicklungshilfefonds einzahle, seinen Beitrag leisten, so Morawiecki. „Wir sehen uns als konstruktiven Mitgliedsstaat“, betonte er.
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