Neuer „Boot“-Regisseur Prochaska: „Beruflich bin ich ein Hasardeur“
München/Wien (APA) - Mit Andreas Prochaska („Das finstere Tal“) haben sich die Deutschen einen Österreicher für „Das Boot“ ins Boot geholt. ...
München/Wien (APA) - Mit Andreas Prochaska („Das finstere Tal“) haben sich die Deutschen einen Österreicher für „Das Boot“ ins Boot geholt. Der Regisseur setzt für Sky Wolfgang Petersens Leuchtfeuer der Kinogeschichte als Serie fort, die im Herbst exklusiv bei Sky und Sky Ticket ausgestrahlt werden soll. Beim Filmfest München wurden erste Ausschnitte des Projekts präsentiert.
Im Vorfeld holte sich Prochaska „den Segen“ von Petersen. Als „Nachfolger“ werde er dennoch nicht gerne bezeichnet, erzählte der 53-Jährige der APA im Interview. Es sei schließlich „kein Remake“, sondern eine eigenständige Geschichte „mit starken Frauen, die nicht nur winkend am Kai stehen“.
APA: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen als Sie das Angebot bekommen haben, die neue Boot-Serie zu drehen?
Prochaska: Das war ein No-Brainer. Ich wollte mich immer schon filmisch in diese Zeit begeben und hätte mir niemals träumen lassen, dass ich je einen Film auf einem U-Boot mache.
APA: Hatten Sie gar keine Angst?
Prochaska: Im Privatleben bin ich eher vorsichtig, aber beruflich bin ich schon auch ein Hasardeur, und mich reizt die Herausforderung - das Abenteuer. In dem Fall war das Abenteuer ein sehr großes. Natürlich hast du dann auch noch die Hypothek, dass es da einen Weltfilm gibt, der gerade für Deutschland eine ganz besondere Bedeutung hat. Und dann komme ich da als Österreicher ins Boot, um die Regie zu übernehmen. Aber man muss an einen Punkt kommen, wo man diesen ganzen Druck auf die Seite schiebt. Wenn du ständig daran denkst, dass du an Wolfgang Petersens Film gemessen wirst und dir die ganze Welt dir auf die Finger schaut, dann paralysiert dich das.
APA: Haben Sie mit Wolfgang Petersen im Vorfeld gesprochen?
Prochaska: Es gab einen Artikel mit der Headline: „Nachfolger von Wolfgang Petersen gefunden“. Ich hab mir gedacht, was ist denn das für ein Unfug? Erstens bin ich kein Nachfolger und zweitens ist es kein Remake. Ich hatte das dringende Bedürfnis, allein schon aus Respekt, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Wir haben dann im Vorfeld telefoniert, und es war ein sehr offenes, freundliches Gespräch. Also ich hab schon versucht, mir ein bisschen seinen Segen zu holen.
APA: Komponist Klaus Doldinger schien sehr beeindruckt von den ersten Ausschnitten. Freut Sie das?
Prochaska: Total. Ich habe schon versucht, dem Geist des Originals gerecht zu werden. Klaus Doldinger hat zwei Folgen im Vorfeld gesehen - und danach seine Zustimmung gegeben dass wir sein Thema verwenden dürfen. Ursprünglich wollte ich eigentlich alle Dinge vermeiden, die zu sehr an Petersens Film erinnern, aber diese Melodie schafft eine schöne Brücke zwischen dem Original und der Serie.
APA: Wie haben Sie „Das Boot“ denn weitergedacht?
Prochaska: Das Konzept, einen zweiten Handlungsstrang in La Rochelle zu erzählen, hat mich sofort überzeugt, vor allem die Möglichkeit auch starke Frauenfiguren zu erzählen, die nicht nur winkend am Kai stehen, während die Männer in den Krieg ziehen. Durch die von Vicky Krieps gespielte Figur, erlebt der Zuschauer auch den Alltag im besetzten Frankreich im Spannungsfeld ihrer anfangs naiven Sichtweise auf das Naziregime, die im Lauf der Geschichte in ein komplett anderes Licht gerückt wird. Ich finde auch, dass die Klaustrophobie im Boot verstärkt wird durch den Handlungsstrang an Land.
APA: Der Testosteronspiegel am Set war trotzdem sehr hoch, oder?
Prochaska: Absolut. (lacht) Wenn Du 20 Burschen zusammen hast, dann ist das natürlich ein eigenes Energiefeld.
APA: Wie war es für Sie, auf dem Boot zu drehen? Es wurde ein Modell nachgebaut...
Prochaska: Das Innenleben des Boots wurde im Studio nachgebaut und war beweglich, um bei Überwasserfahrt den Seegang zu simulieren. Einzelne Segmente konnte man für die Wasserbombenattacken schütteln. Aber wir hatten keine Sprungwende oder „Camera traps“. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Boot 1:1 nachzubauen und es nicht größer zu machen. Das zwingt dir eine gewisse Ästhetik auf. Der fast dokumentarische Charakter des Originals war da natürlich die Referenz.
APA: War es schwierig für Sie, auf so engem Raum zu drehen?
Prochaska: Ich habe ja schon in diversen Almhütten gedreht. Die waren jetzt auch nicht gerade riesig. (lacht) Also insofern habe ich eine gewisse Erfahrung. Aber in der Zentrale auf 20 Quadratmetern mit bis zu fünfzehn Schauspielern zu drehen, war dann schon eine neue Herausforderung. Da entsteht auch eine eigene Dynamik zwischen den Schauspielern, die du als Regisseur ausbalancieren musst.
APA: Welche politische Qualität hat das neue „Boot“ denn?
Prochaska: Ich habe versucht, mich auf Augenhöhe mit den Figuren zu begeben und sie aus der Zeit heraus zu begreifen, und nicht mit unserem heutigen Wissen auf die Zeit zurückzublicken. Auch weil drei meiner Söhne im Alter der damaligen U-Boot-Besatzungen sind. Wären sie auch dem Reiz der Propaganda erlegen, hätten sie sich freiwillig gemeldet? Die U-Bootfahrer waren ja die Posterboys der Nazis. Ich hoffe, dass man sich auch als Zuseher die Frage stellt: Wie hätte man selber reagiert? Hätte man sich der Resistance angeschlossen? Hätte man versucht mitzuschwimmen? Was bedeutet es, einen Akt des Widerstandes zu begehen, wenn du weißt, dass, wenn ein Deutscher zu Schaden kommt, 100 französische Geiseln an die Wand gestellt werden?
APA: Petersen hat damals gewisse Anforderungen an seine Schauspieler gestellt. Sie durften sich vor Beginn der Dreharbeiten nicht mehr rasieren, nicht zu lange in die Sonne gehen. Gab es Anweisungen solcher Art?
Prochaska: Natürlich war jeder dazu angehalten, selber zu recherchieren, die Boot Camps mitzumachen.
APA: Boot Camps?
Prochaska: Unser Marineberater Jürgen Weber hat die Schauspieler theoretisch und praktisch auf die Dreharbeiten vorbereitet. Es wurde auch im Set geprobt damit jeder Handgriff sitzt, was für die Burschen im Torpedoraum natürlich eine besondere Herausforderung war.
APA: Damals hat der österreichische Schauspieler Erwin Leder den Obermaschinist gespielt. Haben Sie auch Österreicher in Ihrer Besatzung?
Prochaska: Wolfgang Rauh spielt einen Torpedogast. Und mein Sohn Felix spielt auch mit, er ist als Steuermann in der Crew mit dabei und hat dann ein, zwei Dialogszenen gehabt.
APA: Würden Sie eine schöne Erinnerung an Ihre Erfahrung mit mir teilen?
Prochaska: Das war während der Vorbereitungszeit, als wir das erste Mal mit diesem Boot aus dem Bunker herausgefahren sind. Es war ein bizarrer Moment für mich, auf der einen Seite hab‘ ich mir gedacht, ich mach‘ da jetzt einen großen Film und das Set ist unglaublich, und gleichzeitig fühlst du einen Stich im Inneren, weil du an dem Ort bist, wo das damals wirklich passiert ist. Die Leute sind dort rausgefahren und die meisten sind nicht zurückgekommen. Das war so ein Moment, den man normalerweise nicht hat, wenn man fiktionale Sachen macht. Geschichte und Gegenwart hat sich da für einen Augenblick überschnitten.
(Das Gespräch führte Marietta Steinhart/APA)
(B I L D A V I S O - Fotos von Andreas Prochaska wurden wiederholt über den AOM verbreitet und sind dort abrufbar.)
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