Bachmann-Preis - Zaimoglu: „Wir schreiben, wir lesen, wir kämpfen.“

Klagenfurt (APA) - Die „Klagenfurter Rede zur Literatur“, heuer zum 19. Mal Bestandteil der Eröffnung der Tage der deutschsprachigen Literat...

Klagenfurt (APA) - Die „Klagenfurter Rede zur Literatur“, heuer zum 19. Mal Bestandteil der Eröffnung der Tage der deutschsprachigen Literatur, hielt am Mittwochabend im ORF-Theater der 53-jährige Autor Feridun Zaimoglu. Er wurde in Bolu (Türkei) geboren und lebt seit seinem sechsten Lebensjahr in Deutschland. Unter dem Titel „Der Wert der Worte“ gab er den Verzweifelten, Verlassenen und Ausgegrenzten eine Stimme.

„Ich lernte: Es gibt kein Alleinsein, und nicht das Schweigen, noch die Stille übertreffen die Worte. Die Anderen, die Abgekehrten, die Verschwundenen, die Gebannten, sie sollen klingen“, sagte der vielfach ausgezeichnete Autor, der 2003 den Preis der Jury in Klagenfurt gewonnen hat. „Ich lernte: Es soll durch meinen Mund sprechen, was sich dem Lärm entzogen hat, und ich will auch den Mangel, den Makel, den Schwund und die schlechte Absonderlichkeit bezeichnen.“

Vielfache Arabesken beschreibend befasste sich Zaimoglu mit den Armenhassern, den Frauenhassern, den Fremdenhassern. „Es sind die Herrenmänner, die uns einflüstern: Bald streunen wilde Hunde und wilde Hirten durch die Straßen unserer besetzten Städte. Wehrt euch gegen die invasiven Kräfte!“ An den Pranger stellte er u.a. Schreiber, die sich den reaktionären Kräften anbiedern: „Er benennt die Missstände in seltsam verbrauchten Worten: Der Muttersprachler stammelt, er sprotzt ein unmögliches Deutsch, er stößt die falschen Laute der Missbilligung aus. Es muss alles nach seinem Willen gehen. Er bellt die Mängelrügen, er verbellt die Verräter, die er allüberall wirken sieht. Das Volk, ruft er, muss in einer schleunigen Erhebung alle Bande reißen. Das Volk, ruft er, soll die große Wende möglich machen. Der erboste Reaktionär begreift das Volk als meuternde Rotte.“

Der heraufbeschworene Kampf richte sich gegen die Armen und die Fremden ebenso wie gegen die Frauen, so Zaimoglu, der sich mit Büchern wie „Kanak Sprak“ und „Leyla“ einen Namen gemacht hat und zuletzt „Evangelio. Ein Luther-Roman“ veröffentlicht hat. „Die Welt ist schlecht, weil die Männer nicht ohne Gewalt glauben leben zu können. Sie sind niederträchtig, weil sie die Schlechtigkeit im Fleisch der Frau vermuten. Ehre, Anstand, Vaterland, Moral: schmutzige Worte, des Mannes Machtbekundung, der wahre Dreck der Welt. Jede Tradition, die auf dem Vorrang des Mannes beharrt, ist verachtenswert. Die neuen alten Patrioten erzählen die neuen alten Märchen.“

„Es hilft nichts, den Rechten edle Motive zu unterstellen, wie es mancher Feuilletonist tut. Es geht ihnen einzig und allein um die Fremdenabwehr, die Vaterländerei ist ihre Phrase der Stunde. Der Moslem, der Morgenländer, der Einwanderer, der Flüchtling: Sie sind in ihren Augen Geschöpfe dritten Ranges“, so der Autor.

„Es gibt keinen redlichen rechten Intellektuellen. Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller. (...) Der feste Halt ist nicht das Volk, nicht die Sippschaft, nicht eine heilige Erde und nicht eine versunkene Welt. Ich finde festen Halt im Recht, dem Ausdruck des Gewissens. Daran glaube ich, davon rücke ich nicht ab. Auf den Glanz der Geschichte einer Nation gebe ich nichts. Es soll ein Menschengesicht glänzen“, sagte Feridun Zaimoglu und schloss: „Klagenfurt ist ein Ort der vielen Geschichten. / Es ist ein Ort der Beseelung. / Wir schreiben, wir lesen, wir kämpfen. / Wir stehen bei den Verlassenen.“