Bedrückende Familientragödie: Schnitzlers „Vermächtnis“ in Reichenau

Reichenau (APA) - Arthur Schnitzlers 1898 entstandenes Schauspiel „Das Vermächtnis“ wird selten gespielt und ist auch als Einzelausgabe nich...

Reichenau (APA) - Arthur Schnitzlers 1898 entstandenes Schauspiel „Das Vermächtnis“ wird selten gespielt und ist auch als Einzelausgabe nicht in Buchform erhältlich. Hermann Beil hat die bedrückende Familientragödie nun bei den Festspielen Reichenau inszeniert und dem Schnitzler-Repertoire damit eine Wiederentdeckung beschert. Premiere war am Mittwochabend.

Die großbürgerliche Wiener Gesellschaft bildet den Rahmen des Geschehens. Hugo, der Sohn des Abgeordneten Adolf Losatti (großartig Joseph Lorenz als selbstherrlich schwadronierendes Familienoberhaupt) und dessen Frau Betty (ohnmächtig mitfühlend: Regina Fritsch), liegt nach einem Reitunfall im Sterben und vertraut der Familie sein uneheliches Kind Franz und dessen Mutter (Nanette Waidmann) an.

Um 1900 ist es für ein gutbürgerliches Haus eine schwere Zumutung, der Mätresse des verstorbenen Sohnes Schutz unter ihrem Dach zu gewähren - gesellschaftliche Konsequenzen bleiben nicht aus. Doch Hugos Vater lässt sich zunächst nicht beirren und bekennt sich offen zu dem Kind, als wäre es sein legitimer Enkel. Hugos Mutter, seine Schwester Franziska (Johanna Prosl) sowie seine Tante Emma (mitreißend: Stefanie Dvorak) nehmen sich der jungen Toni liebevoll an. Nach dem plötzlichen Tod des Kindes wachsen jedoch die Widerstände, man erwartet, dass Toni nun ihre eigenen Wege gehen solle.

Es ist vor allem Emma, die gegen falsche gesellschaftliche Moral ankämpft. „Was hat überhaupt ein Mensch dem anderen zu verzeihen? Vermessenheit ist das!“, bricht es einmal furios aus ihr heraus. Doch sie scheitert ebenfalls - an ihrer eigenen Tochter (Alina Fritsch spielt sie hervorragend als trutschigen Teenager). Die Malaise mündet in die vorhersehbare Katastrophe: Toni geht in den Tod. „Wir sind zu feig gewesen“, resümiert Franziska, während Losatti sich in Selbstmitleid ergeht. Ein hartes, unbequemes Stück über Verantwortung, Dünkel und Egoismus. Hermann Beil ist eine stringente Inszenierung zu verdanken.

(S E R V I C E - Festspiele Reichenau, Theater, großer Saal: Arthur Schnitzler, Das Vermächtnis. Regie: Hermann Beil, Bühne: Peter Loidolt, u.a. mit Joseph Lorenz, Regina Fritsch, Stefanie Dvorak, Johanna Prosl, Nanette Waidmann. Vorstellungen bis 4. August. Information: www.festspiele-reichenau.com)

(Die vorliegende Kritik bezieht sich auf die Hauptprobe vom Dienstagvormittag.)