Jazz Fest Wien - Gardot wickelt das Publikum bescheiden um den Finger
Wien (APA) - Es sei nicht nett, die Staatsoper in einen Jazzclub zu verwandeln, sagte Melody Gardot am gestrigen Mittwochabend, das nehme de...
Wien (APA) - Es sei nicht nett, die Staatsoper in einen Jazzclub zu verwandeln, sagte Melody Gardot am gestrigen Mittwochabend, das nehme der Oper ihre Klasse. Dabei ist die amerikanische Jazzsängerin wohl kaum eine Vertreterin ihres Fachs, bei der sich Klasse vermissen lässt. Gardots Auftritt beim Jazz Fest Wien in der Staatsoper endete wie bereits vor drei Jahren mit Standing Ovations.
Die Bescheidenheit zieht sich durch das Konzert der 33-Jährigen. Begleitet von einer achtköpfigen Band, sang sich Gardot durch ihr aktuelles Album „Live in Europe“, das eine Zusammenstellung ihrer bekanntesten Live-Performances ist. In knapp zwei Stunden waren sowohl „Baby I‘m a Fool“ als auch „If the stars were mine“ und „Our love is easy“ - beide bereits 2009 mit dem Album „My one and only thrill“ erschienen - zu hören.
Anfangs wirkte Gardot beinahe schüchtern. Die ersten beiden Nummern saß sie an einem Flügel, den Rücken wie auf dem Cover ihres Albums zum Publikum gewandt. Erst danach sprach die Amerikanerin die Zuhörer im ausverkauften Haus am Ring direkt an. Und während die Singstimme Gardots - kraftvoll, oft klar und hell, manchmal fast rauchig - das Publikum begeisterte, schmolzen die Anwesenden jetzt völlig dahin.
„Ich kann besser singen als reden“ schmunzelt die Blondine, die seit einem Unfall vor fünfzehn Jahren stets mit Sonnenbrille auftritt, als sie sich verhaspelt. Dann scherzte Gardot über den tiefen Ausschnitt ihres Anzugs. Man habe oben auf den Logen wohl tiefe Einblicke. Die junge Künstlerin zeigte sich ehrlich, offen und - wie ihre Stimme - sicher. Von Verletzlichkeit keine Spur.
Der Auftritt ist ein Fluss von Liedern, die scheinbar ineinander übergehen. Die Streicher, die Gitarre, das Klavier verschmelzen zu einem Klangteppich - man ist sich nie sicher, ob Gardots Stimme seit Stunden über den Instrumenten thront oder erst seit wenigen Minuten. Das sei das größte Geschenk, sagte die US-Sängerin, Musik, die einen scheinbar beiläufig im Leben begleitet - und nicht der kurzweilige Hip-Hop, den alle vorgeben zu hören, so Gardot.
Kurz vor Schluss animiert sie die Zuhörer, Teil dieser Musik zu werden. Zu dem Lied „Who will comfort me?“ sollen die in der Staatsoper anwesenden ihre Finger schnippen und mitsingen. Der Applaus ebbt minutenlangen nicht ab, als die Sängerin die Bühne verlässt.
Keine Standing Ovations aber dennoch wippende Köpfe hatte zuvor Louie Austen erreicht. Der Wiener sang Lieder des 2017 verstorbenen Musikers Karl Hodina und präsentierte sich insgesamt als Kontrastprogramm zur stets schwarz gekleideten Gardot. Im weißen Anzug, mit weißen Schuhen, Hut, oranger Krawatte und Einstecktuch redete er vom Sommerspritzer und sang launig von seinem bevorzugten österreichischen Wort: „leiwand“.
(S E R V I C E - www.jazzfest.wien; www.melodygardot.co.uk; www.louieausten.com )