Polens Justizminister bekräftigt Ruhestand für Gerichtspräsidentin
Warschau (APA/AFP) - Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro hat den Zwangsruhestand für die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Mal...
Warschau (APA/AFP) - Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro hat den Zwangsruhestand für die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Malgorzata Gersdorf, bekräftigt. Ziobro sagte am Donnerstag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die 65-jährige Gersdorf unterliege dem am Dienstag um Mitternacht in Kraft getretenen Gesetz, das die Altersgrenze für die Pensionierung von bisher 70 auf 65 Jahre senkt.
Gersdorf arbeitete dessen ungeachtet in ihrem Büro, wie eine Gerichtssprecherin der Nachrichtenagentur AFP sagte.
Gersdorf verweist auf Artikel 183 der polnischen Verfassung, der ihre Amtszeit auf sechs Jahre festlegt. Sie und weitere Richter verweigern sich dem von der nationalkonservativen Regierung beschlossenen Zwangsruhestand. Das entsprechende Gesetz bezeichnen sie als zum Teil verfassungswidrig.
Der Justizminister sagte, aus Artikel 180 der Verfassung gehe „eindeutig“ hervor, dass das Pensionsalter für Richter in der allgemeinen Gesetzgebung festgeschrieben sei. Demnach sei Gersdorf pensioniert, weil sie die Altersgrenze von 65 überschritten habe. Gersdorf habe überdies keine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz eingelegt. Nur das Verfassungsgericht könne darüber befinden, ob das neue Gesetz verfassungsgemäß sei oder nicht.
27 der 73 Richter am Obersten Gerichtshof sind älter als 65 Jahre und damit von dem umstrittenen Gesetz betroffen. 16 haben angekündigt, länger arbeiten zu wollen. Sie bleiben bis zu einer Entscheidung von Staatschef Andrzej Duda im Amt. Von den übrigen elf haben alle bis auf Gersdorf den Zwangsruhestand akzeptiert, wie das Gericht mitteilte. Der Richter Michal Laskowski sagte der Zeitung „Gazeta Wyborcza“: „Wir widersprechen dem Gesetz, aber wir können uns nicht direkt auf die Verfassung berufen, also beugen wir uns.“
Gersdorf war am Mittwoch unter dem Jubel tausender Demonstranten zur Arbeit erscheinen. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte unterdessen die umstrittenen Maßnahmen im Europaparlament verteidigt. Polen würde noch immer „gegen das Erbe des Kommunismus“ kämpfen, sagte Morawiecki. Richter, die in den 80er Jahren „beschämende Urteile“ gefällt hätten, arbeiteten heute am Obersten Gerichtshof.
Das vom Parlament verabschiedete und von Präsident Duda unterzeichnete Gesetz zählt zu den umstrittenen Justizreformen, derentwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung in Warschau vorgeht. Die EU-Kommission kritisiert, die Reformen würden die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden und die Gewaltenteilung untergraben. Sie hatte am Montag ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es gehe darum, die „Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu schützen“, sagte ein Kommissionssprecher.
Anfang 2016 hatte Brüssel erstmals in der EU-Geschichte ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet, als Warschau die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Im Dezember folgte dann ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet.
Das Vertragsverletzungsverfahren kann zumindest theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen. Das ebenfalls rechtskonservativ regierte Ungarn hat bereits angekündigt, Strafmaßnahmen gegen Warschau nicht mitzutragen.