Ihn ruft das Meer
Albert Plachel ist ein Wahl-Tiroler, den die Freude am Segeln seit vielen Jahren auf hohe See zieht. Über die Lust auf Freiheit und Abenteuer, die sogar die Seekrankheit besiegt.
Von Theresa Mair
Telfs –Quer über den Balkon ist ein dicker Strick gespannt und mit Seemannsknoten befestigt. Die Wäscheleine ist auf den ersten Blick das einzige Indiz dafür, dass man sich im Haus eines passionierten Hochseeseglers befindet. Auf den zweiten fallen einem die Hochglanzmagazine auf, die Yacht, Yacht Revue und Palstek heißen. Dann bringt Albert Plachel eine Glasflasche und alles ist klar. Darin befindet sich ein filigranes Modell eines Segelschiffs. „Das haben mir meine Eltern geschenkt“, erzählt der Steirer, der in Wien aufgewachsen ist und bereits mehr als die Hälfte seines Lebens in Telfs verbringt. Wenn er nicht auf hoher See ist.
30 bis 40 Tage im Jahr verbringt der 48-Jährige – „mit der Lebenserfahrung eines 64-Jährigen“, wie er sagt – auf den Weltmeeren. Er ist Segellehrer, lässt sich als Skipper chartern, oder schippert mit seinem Katamaran, der in der Marina von Grado liegt, über die Adria. Dabei hatte Plachel, der sich selbst als Erholungssegler begreift und das Gefühl genießt, eins mit der Natur zu sein, schon so einige brenzlige Erlebnisse. An ein „massives Erlebnis“ erinnert er sich besonders, obwohl es schon viele Jahre zurückliegt. „Es war bei einer Atlantiküberquerung und das Schiff war in einem fürchterlich desolaten Zustand. Mein Sohn war mit dabei. Er war damals ungefähr 15. Als wir auf den Bermudas einliefen, habe ich entschieden, dass wir abmustern. Das Schiff ist danach in massive Seenot geraten.“
Sein „Mut zur Feigheit“ habe ihn schon ein paarmal gerettet, beim Motorradfahren, beim Skifahren und eben auch beim Segeln. „Ich bin schon ein paarmal gerade noch von der Schaufel gefallen“, sagt er und man bekommt eine Ahnung, wo der Tausendsassa die kolportierten 64 Jahre Lebenserfahrung herhat.
Inzwischen würden auch Segel-Größen zugeben, dass sie sich manchmal fürchten. Vor seinen Schülern versucht Plachel sich trotzdem nicht anmerken zu lassen, wenn ihm einmal die Düse geht oder er grün im Gesicht ist, weil er noch nach Jahren am Wasser an Seekrankheit leidet. Es brächte in der Situation nichts, meint er. Einer muss einen kühlen Kopf bewahren. Damit man das kann, sind eine solide Ausbildung und viel Erfahrung nötig.
Von Schnellsiederkursen hält Plachel nichts, auch wenn er eingesteht, dass er selbst noch „sehr blauäugig war“, als er sich sein erstes Boot kaufte. Wenn man in Seenot gerät, kann man sich nicht darauf verlassen, dass der Heli so schnell da ist, wie wenn man sich am Berg nicht weitertraut. Darüber hinaus kommt eine Delle im Boot teuer. „Im Vergleich zu einem Schaden am Auto kann man beim Segelschiff immer noch eine Null anhängen.“ Woher der Medizinproduktehändler die Faszination für das Segeln hat, weiß er selbst nicht genau. Nur, dass alles am Neusiedler See begann. Mit 16 Jahren war er als Vorschoter für das vordere Segel zuständig. Seit 1995 ist Plachel Skipper, also Segel-Käpt’n, lange Zeit Präsident des Österreichischen Yachtclubs YCA.
Es ist kurios, aber mit seiner Segel-Leidenschaft fällt Plachel gar nicht aus der Rolle. Österreich ist ein Land der Segler. „Im Vergleich zur Einwohnerzahl sind sehr viele Österreicher auf See unterwegs und davon extrem viele Tiroler“, sagt er.
Vielleicht ist es die Abenteuerlust, die Sehnsucht, der Enge der Tiroler Täler zu entkommen, die das Bergvolk auf das Meer treibt, mutmaßt er. Oder doch das Erbe einer Zeit, in der Österreich noch das Land war, in dem die Sonne nie unterging. „Viele der bestehenden Hafenanlagen an der Adria stammen noch aus der k. u. k. Zeit.“
In den nächsten Tagen wird es nicht die Adria, sondern die Nordsee sein, auf die er zusteuert. Dort ankert seine Traum-Yacht.