Festspiele Reichenau: Werfels „Cella“ spannungsvoll inszeniert
Reichenau (APA) - Nach Franz Werfels unvollendetem Roman „Cella oder Die Überwinder“, 1977 verfilmt, hat Nicolaus Hagg für die Festspiele Re...
Reichenau (APA) - Nach Franz Werfels unvollendetem Roman „Cella oder Die Überwinder“, 1977 verfilmt, hat Nicolaus Hagg für die Festspiele Reichenau eine gelungene Bühnenfassung erstellt. Michael Gampe inszenierte im Neuen Spielraum sehr spannungsvoll und konzentriert, Premiere war am Donnerstagabend.
Nicht schon wieder ein dramatisierter Roman in gestelztem Konversationston, war man anfangs versucht zu befürchten. Wie unberechtigt! Bereits nach wenigen Minuten beginnt unweigerlich der dramaturgische Sog der dichten Szenenfolge zu wirken. Die beklemmende politische Entwicklung zu Beginn des Jahres 1938 dringt allmählich in die heile bürgerliche Welt des patriotischen Eisenstädter Anwalts Hans Bodenheim. August Schmölzer verleiht dem glühenden Österreicher sympathische Robustheit, man will es ebenso wenig wie Bodenheim selbst wahrhaben, dass er und seine Familie aufgrund seines Judentums gefährdet sind. Doch wie nebenbei mehren sich die Indizien.
Gampe kann sich auf ein formidables Ensemble von Gestaltern plastischer Persönlichkeiten verlassen: Sascha O. Weis ist Bodenheims Jugendfreund Zoltan, der sich schließlich als Wendehals und doch Lebensretter erweist, Julia Stemberger die lebenslustige Ehefrau, Andre Pohl der würdevolle Industrielle von Weil, Toni Slama der widerständige Oberstleutnant („Rot-weiß-rot bis in den Tod“), Martin Schwab der alte Klavierpädagoge, David Oberkogler der junge Prinz „Styxi“ Esterhazy, Philipp Stix der engagierte Kaplan, Gerhard Roiss der Einbrecher und Zellengenosse Hipfinger. Wer nicht vorkommt, ist Cella selbst - die musikalisch hochbegabte 15-jährige Tochter des Ehepaars hört man nur aus dem Nebenraum Klavier spielen.
Nüchtern wird die Geschichte eines gutgläubigen Menschen erzählt, der da fataler Weise darauf vertraut, dass ihm in seinem Österreich nichts Böses widerfahren könne. So wird das Stück über die historische Relevanz hinaus zur eindringlichen Parabel und - ganz ohne Zeigefinger - zum Appell an die Wachsamkeit gegenüber allen Phänomenen von Demokratiefeindlichkeit, Totalitarismus und Barbarei. Eine bemerkenswerte Festspiel-Produktion. Die vorliegende Kritik bezieht sich auf die Hauptprobe von Dienstagnachmittag.
(S E R V I C E - Festspiele Reichenau, Neuer Spielraum: Nicolaus Hagg, Cella (nach dem Roman „Cella oder Die Überwinder“ von Franz Werfel), Regie: Michael Gampe, Bühne: Peter Loidolt, mit August Schmölzer, Julia Stemberger, Sascha O. Weis, Andre Pohl, Toni Slama, Martin Schwab, David Oberkogler, Philipp Stix, Gerhard Roiss. Vorstellungen bis 4. August, Information: www.festspiele-reichenau.com)