Rad: Tour skandalerfahren - Festina-Affäre schockte vor 20 Jahren

Paris (APA/dpa) - Am Sonntag vor 20 Jahren hat der sich anbahnende Festina-Skandal die Tour de France gehörig durcheinandergewirbelt. Die Af...

Paris (APA/dpa) - Am Sonntag vor 20 Jahren hat der sich anbahnende Festina-Skandal die Tour de France gehörig durcheinandergewirbelt. Die Affäre war allerdings nur der Anfang des Doping-Grauens der Folgejahre.

Willy Voet verlud am 8. Juli 1998 besonderes Gepäck in seinen Fiat. Der Betreuer des französischen Radteams Festina machte sich auf den Weg nach Calais, wo er die Fähre nach Dublin erreichen muss. Dort startet drei Tage später die Tour de France mit dem Festina-Superstar Richard Virenque.

Voet steuert in seiner belgischen Heimat den kleinen Grenzübergang in Neuville-en-Ferrain Richtung Frankreich an. Wie immer hat er für die Grenzbeamten Team-Trikots und Kappen als Mitbringsel zurechtgelegt. Aber diesmal wird der Belgier herausgewunken.

Sein Wagen wird gefilzt und Voet kreidebleich: Die Recherchen der Zöllner bringen 236 Ampullen EPO, 82 Packungen mit Wachstumshormon, Testosteron-Präparate, Amphetamine, Cortecoide zu Tage. Damit könnte dem gesamten Peloton Beine gemacht werden: Der bis dato größte Doping-Skandal der Frankreich-Rundfahrt nimmt seinen Anfang.

Die Neuigkeiten vom Grenzort schwappen nur langsam nach Dublin. Voet wird in Lille inhaftiert - Verdacht auf Drogen-Handel. Festina steht trotzdem am Start, der Bergspezialist Virenque, der ein Jahr nach seinem zweiten Platz hinter Jan Ullrich endlich die Tour gewinnen will, fährt den besten Prolog seiner Karriere.

Danach gibt er - auf Voet angesprochen - ganz empört zu Protokoll: „Ich bin nicht verantwortlich für Dinge, die unser Personal macht.“ Es dauert noch fünf Tage, bis die Virenque-Equipe aus dem Rennen genommen wird. Teamchef Bruno Roussel wird festgenommen, genau wie Mannschafts-Arzt Eric Rijkaert, der trotz einer schweren Lungenerkrankung 100 Tage im Gefängnis sitzt.

Der Mediziner packt in Verhören aus, spricht von einem seit 1994 etablierten Doping-System im Team: „Mein Kühlschrank war immer voll mit Medikamenten“. Auch der zweifache Tour-Zweite Alex Zülle aus der Schweiz ist nach Tagen in Polizeigewahrsam geständig („Ich bin behandelt worden wie ein Tier“), nur Virenque leugnet hartnäckig. Erst vor Gericht gibt er zwei Jahre später unter Tränen Doping zu und wird gesperrt. Nach seinem Rücktritt 2004 wird er in Frankreich zum gefragten Eurosport-Spezialisten.

Die Tour 1998 läuft weiter, die Profis streiken sitzend auf dem Asphalt und wollen damit gegen die angebliche Willkür der Polizei protestieren. Bei Razzien werden bei fast allen Teams Dopingmittel gefunden, Fahrer und Betreuer werden festgesetzt. Die niederländische TVM-Mannschaft „flieht“ während des Tour-Abstechers in der Schweiz, auch spanische Mannschaften scheren aus dem Tour-Tross aus und fahren nach Hause.

Nur 96 von 198 gestarteten Teilnehmern erreichen am 2. August das Ziel auf den Pariser Champs Elysees, unter ihnen Jan Ullrich auf Platz zwei hinter Marco Pantani. Der Albtraum, allerdings nur erste Station der folgenden Doping-Skandale um die Fahrer Riccardo Ricco, Michael Rasmussen, Alexander Winokurow, Alberto Contador, Ivan Basso, Bernhard Kohl, Ullrich und andere, ist zu Ende.

Im Folgejahr passiert den Tour-Organisatoren das scheinbar Beste, was kommen konnte: Der geheilte Krebspatient Lance Armstrong gewinnt seine erste Frankreich-Rundfahrt und wird als großer Erneuerer und Hoffnungsträger gefeiert. Heute weiß man es besser. In der Siegerliste ist der Platz des Gewinners der Jahre 1999 bis 2005 leer.