„Befreite“ Russen planen gegen Kroatien den nächsten Coup
Spätestens nach dem Sieg im Elfer-Krimi gegen Spanien belächelt die Hausherren bei der WM niemand mehr. Präsident Putin sorgte via Telefon für eine Motivationsspritze.
Sotschi – Nach dem „Wunder“ gegen Spanien träumt ganz Russland längst vom richtig großen WM-Coup. „Wir haben verstanden, dass wir bis zum Finale kommen können. Und wir glauben ernsthaft daran“, sagte Mittelfeldstar Alexander Golowin. Auch wenn der Gastgeber an Samstag (20.00 Uhr/TT.com-Ticker) in Sotschi erneut nicht der Favorit ist, wittern die Russen gegen Kroatien ihre Chance.
Noch wenige Tage vor Beginn hatten die Russen ihrem Team kaum etwas bei dieser WM zugetraut. Die Sbornaja, nur Nummer 70 in der FIFA-Weltrangliste, wurde im eigenen Land belächelt. Doch spätestens seit dem Achtelfinal-Krimi mit dem gewonnenen Elferschießen gegen Ex-Weltmeister Spanien (4:3) belächelt die Hausherren niemand mehr.
Denkmäler für Akinfejew und Tschertschessow
Auf den Straßen und in den Medien wurde Tormann und Elferkiller Igor Akinfejew als Held gefeiert, im Internet bejubelt man den markanten Oberlippenschmuck von Teamchef Stanislaw Tschertschessow als „Schnauzbart der Hoffnung“. Schon wurden Rufe laut, Akinfejew und Tschertschessow Denkmäler zu bauen. „Die Sbornaja hat ein Wunder vollbracht. Sie hat sich selbst den Weg zu den Träumen geebnet“, schreibt die oft kritische Fachzeitung „Sport-Express“.
Tschertschessow erzählte am Freitag, Unterstützung von höchster staatlicher Stelle erhalten zu haben. „Er hat mich vor und nach dem Spanien-Spiel angerufen“, sagte Tschertschessow über seine Telefonate mit Russlands Präsident Wladimir Putin. „Das ist für uns ein Motivationsschub.“
In der Tat erscheint für Russland ein historischer Triumph zum Greifen nahe. Ein Einzug ins Halbfinale wäre der größte Erfolg seit der WM in England 1966. Ausgerechnet an der „russischen Riviera“ könnte der Sbornaja dies nun gelingen. Viele Russen schwärmen bis heute von dem wohl größten sportlichen Triumph Russlands bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi, als der Gastgeber die meisten Medaillen holte. An die folgende Entzauberung durch den Doping-Skandal denkt niemand.
„Keiner wird uns dort mögen“
Favorit Kroatien weiß, dass das Spiel am Schwarzen Meer eine schwere Aufgabe wird. Vor allem die große Überzahl der russischen Fans flößt Trainer Zlatko Dalic und seinem Team Respekt ein. „Gegen den Gastgeber in Sotschi wird es ein heißes Spiel. Keiner wird uns dort mögen. Das wird ein großer Test für uns“, sagte Dalic. Rund 10.000 kroatische Fans werden Medien zufolge erwartet - weniger als ein Viertel der Kapazität im Fischt-Stadion.
Auch bei den Kroaten träumt man von Historischem, wird seit dem ersten WM-Tag von der Wiederholung des 1998er-Coups geredet. Damals wurden sie Dritter, 98er-WM-Torschützenkönig Davor Suker ist heute Verbandspräsident. In der Gruppenphase kam das Team gut damit zurecht, aber mit der Favoritenrolle gegen Dänemark tat es sich schwer. So wurde Torhüter Danijel Subasic zum Held mit drei gehaltenen Elfmetern, womit er den WM-Rekord des Portugiesen Ricardo von 2006 einstellte. „Es war kein schönes Spiel, aber unser Ziel haben wir erreicht“, betonte Mittelfeldstar Luka Modric.
„Wir müssen noch stärker und stabiler sein, denn wir wollen unser Land noch stolzer machen. Das ist ein großer Gegner“, sagte Dalic über die Russen. Modric räumte ein: „Es wird ein hartes Spiel. Die Russen haben gegen Spanien gezeigt, dass sie kämpfen können.“ Und der Mann von Real Madrid blickte „sicherheitshalber“ noch etwas weiter in die Zukunft. Mit Kroatien gar den Titel zu holen, sei „fast undenkbar, wie das schönste Märchen. Als Kapitän den Pokal zu stemmen wäre unglaublich.“