Richter und Amnesty stärken Polens Höchstrichterin den Rücken
Warschau (APA/AFP) - Europäische Richter und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben der in den Zwangsruhestand versetzte...
Warschau (APA/AFP) - Europäische Richter und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben der in den Zwangsruhestand versetzten Präsidentin von Polens Oberstem Gericht, Malgorzata Gersdorf, am Freitag den Rücken gestärkt. Der designierte Amnesty-Generalsekretär Kumi Naidoo sagte nach einer Unterredung mit Gersdorf in ihrem Warschauer Büro, er sehe sie weiter als Chefin des Obersten Gerichts an.
Die rechtskonservative polnische Regierung vertritt dagegen die Auffassung, dass die 65-jährige Gersdorf ihren Posten verloren habe. Sie falle unter das am Dienstag um Mitternacht in Kraft getretene Gesetz, das die Altersgrenze für die Pensionierung von bisher 70 auf 65 Jahre senkt.
Gersdorf setzte sich darüber hinweg und arbeitete auch am Freitag wie an den Vortagen in ihrem Büro. Sie beruft sich auf Artikel 183 der polnischen Verfassung, der ihre Amtszeit auf sechs Jahre festlegt.
Außer Naidoo statteten auch drei europäische Richter Gersdorf einen Besuch ab: Maarten Feteris, der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs der Niederlande, Kees Sterk, der Präsident des Europäischen Netzwerks der Justizräte (ENCJ) und Marc de Werd vom Konsultativrat Europäischer Richter beim Europarat.
De Werd sagte anschließend, alle drei seien sehr besorgt über den Zustand des Rechtsstaats in Polen und die Beschneidung der Unabhängigkeit von Richtern. Es sei zu hoffen, dass „sehr bald“ wieder rechtsstaatliche Verhältnisse hergestellt würden.
15 Richter am Obersten Gerichtshof haben nach Angaben von dessen Sprecher Michal Laskowski am Donnerstag von Staatschef Andrzej Duda die Mitteilung über die zwangsweise Versetzung in den Ruhestand erhalten, darunter auch Gersdorf.
Das vom Parlament verabschiedete und von Duda unterzeichnete Gesetz zählt zu den umstrittenen Maßnahmen im Justizbereich, derentwegen die EU-Kommission seit 2016 gegen die Regierung der rechtsgerichteten Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vorgeht. Sie hatte am Montag ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Es gehe darum, die „Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu schützen“, sagte ein Kommissionssprecher.
Anfang 2016 hatte Brüssel erstmals in der EU-Geschichte ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet, als Warschau die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Im Dezember folgte dann ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Gesetzes, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet.
Das Vertragsverletzungsverfahren kann zumindest theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Das Votum darüber muss allerdings einstimmig fallen. Das ebenfalls rechtskonservativ regierte Ungarn hat bereits angekündigt, Strafmaßnahmen gegen Warschau nicht mitzutragen.