Regierung in Haiti setzt Benzinpreis-Erhöhung „bis auf weiteres“ aus
Port-au-Prince (APA/AFP/dpa) - Nach gewaltsamen Protesten in Haiti hat die Regierung ihre Ankündigung von drastischen Erhöhungen der Treibst...
Port-au-Prince (APA/AFP/dpa) - Nach gewaltsamen Protesten in Haiti hat die Regierung ihre Ankündigung von drastischen Erhöhungen der Treibstoffpreise zurückgenommen. Die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Anhebungen um 38 Prozent für Benzin und 47 Prozent für Diesel seien „bis auf weiteres“ ausgesetzt, erklärte Ministerpräsident Jack Guy Lafontant am Samstag.
Bei Krawallen in mehreren Städten hatte es mindestens zwei Tote gegeben. Laut Medienberichten kamen mindestens sieben Menschen ums Leben. Auch die Polizei sprach von Todesopfern, nannte allerdings keine genaue Zahl. Staatschef Jovenel Moise (Moïse) rief die Bevölkerung zur Ruhe auf.
Regierungschef Lafontant verkündete im Kurzbotschaftendienst Twitter, dass die drastische Verteuerung von Benzin und Diesel sowie die Preiserhöhung bei Kerosin um 51 Prozent bis auf weiteres vom Tisch seien. Zugleich verurteilte er die Krawalle: „Gewalt und Demokratie sind grundlegend unvereinbar“, schrieb er.
Der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Gary Bodeau, hatte zuvor mit einer Absetzung der Regierung gedroht, sollte sie die angekündigten Erhöhungen nicht binnen zwei Stunden zurücknehmen. Die Regierung werde dann „als zurückgetreten betrachtet“ und das Parlament werde die Kontrolle übernehmen, sagte Bodeau der Nachrichtenagentur AFP.
Schon vor dem Konflikt über die Treibstoffpreise war Lafontant politisch angeschlagen gewesen, sein Einknicken angesichts der Proteste könnte zum Sturz der Regierung führen. Der politische Quereinsteiger Lafontant hatte bei der Bevölkerung vergeblich um Geduld geworben, damit seine Regierung „eine Vision, ein klares Programm“ umsetzen könne.
Nach der Ankündigung der deutlich höheren Treibstoffpreise am Freitag hatten Demonstranten an den Hauptverkehrsachsen in der Hauptstadt Port-au-Prince Barrikaden aus brennenden Reifen errichtet. Die gewaltsamen Proteste dehnten sich auf Haitis zweitgrößte Stadt Cap-Haitien sowie Les Cayes, Jacmel und Petit-Goave. Mehrere Fluggesellschaften setzten wegen der Proteste ihre Flüge nach Port-au-Prince aus.
Im Zentrum von Port-au-Prince starb am Freitagabend (Ortszeit) der Polizei-Leibwächter eines Oppositionspolitikers in einer Auseinandersetzung mit Demonstranten, als er versuchte, eine Straßenblockade zu durchbrechen. Seine Leiche wurde anschließend auf der Straße in Brand gesetzt. Am Samstag sah ein AFP-Journalist die Leiche eines jungen Mannes mit einer Schusswunde.
In Port-au-Prince wurden mehrere Läden geplündert. Außerdem steckten die Demonstranten zwei Polizeiwachen und mehrere Polizeifahrzeuge in Brand. Einige Demonstranten riefen gar zu einer Revolution in Haiti auf.
Staatschef Moise rief alle Demonstranten am Samstagabend (Ortszeit) zur Ruhe auf: „Geht nach Hause“, sagte er in einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede. Die Behörden hätten Anweisung, die Straßen zu räumen. Schließlich seien die Forderungen der Demonstranten erfüllt worden.
„Sobald Ihr sprecht, höre ich zu“, sagte Moise an seine Mitbürger gerichtet. „Weil Ihr angefangen habt, mir seit vergangener Nacht diese Botschaft zu schicken, habe ich sie erhalten und korrigiert, was zu korrigieren war.“
Lafontant hatte hervorgehoben, dass die Treibstoffsubventionen den Staat von 2010 bis 2018 eine Milliarde Dollar (851 Millionen Euro) gekostet haben. Mit dieser Summe hätten „viele Kilometer Straßen...viele Klassenräume...viele Kliniken“ gebaut werden können. In einem Rahmenabkommen mit dem IWF hatte sich die Regierung im Februar verpflichtet, zur Budgetsanierung die Treibstoffsubventionen abzuschaffen.
Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Die Bevölkerung leidet unter Massenarbeitslosigkeit und seit drei Jahren unter einer Inflationsrate von mehr als 13 Prozent.
Das Land hat sich noch nicht von dem verheerenden Erdbeben erholt, bei dem 2010 etwa 200.000 Menschen ums Leben gekommen waren. In der Folge starben tausende weitere durch eine Cholera-Epidemie. Der Hurrikan „Matthew“ im Jahr 2016 richtete weitere schwere Schäden in dem bitterarmen Karibikstaat an.