Papier des EU-Ratsvorsitzes: Keine Asylanträge mehr in Europa

Wien (APA) - Österreich hat zum Auftakt seines EU-Ratsvorsitzes eine radikale Reform des EU-Asylwesens ins Gespräch gebracht. Demnach sollen...

Wien (APA) - Österreich hat zum Auftakt seines EU-Ratsvorsitzes eine radikale Reform des EU-Asylwesens ins Gespräch gebracht. Demnach sollen „keine Asylanträge mehr auf EU-Boden gestellt werden“, heißt es in einem in der Vorwoche bei einem Treffen in Wien vorgelegten Papier, dessen Authentizität Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal dem Nachrichtenmagazin „profil“ (Montagsausgabe) bestätigte.

Launsky-Tieffenthal wies aber gegenüber dem „profil“ darauf hin, dass es sich um einen „Denkanstoß“ auf Beamtenebene handle, der durch die Schlussfolgerungen des jüngsten EU-Gipfels zur Migrationspolitik „überholt“ sei. Aus dem Innenministerium war am Wochenende keine Stellungnahme zu erhalten. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bekräftigte aber gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ (Sonntagsausgabe) das Ziel, „mittelfristig“ Plattformen für Migranten in Afrika zu schaffen. Es müsse „klar sein, dass in diesen Zentren keine Asylanträge gestellt werden - denn dann beginnt die Schlepperei von vorn“.

Das neunseitige Papier, das der APA am Sonntag vorlag, wurde für ein Treffen der Ratsarbeitsgruppe „COSI“ am 2. und 3. Juli in Wien verfasst. Unter „mögliche Ziele“ heißt es darin: „Schaffung eines neuen, besseren Schutzsystems, bei dem keine Asylanträge mehr auf EU-Boden gestellt werden, außer wenn Schutzsuchende aus direkten Nachbarstaaten kommen oder wenn keine Schutzmöglichkeiten zwischen der EU und dem Herkunftsland vorhanden sind“.

Kickl setzt sich eigenen Worten zufolge für eine „Kopernikanische Wende“ in der EU-Flüchtlingspolitik ein. Kommende Woche empfängt er in Innsbruck seine EU-Amtskollegen zum ersten informellen Ministertreffen des rot-weiß-roten Ratsvorsitzes. Das nun diskutierte Papier ist im Rahmen des „Wiener Prozesses“ entstanden, bei dem aktuelle und künftige Ratsvorsitzländer gemeinsam über die EU-Politik in den Bereichen Inneres und Sicherheit bis zum Jahr 2025 beraten.

In dem Text wird das bestehende Asylsystem umfangreich zerpflückt. So würden Asylbewerber „vielfach mehrere sichere Staaten“ durchqueren und dafür ihr Hab und Gut aufs Spiel setzen. „Das entspricht nicht den Intentionen der Genfer Konvention, nämlich Menschen in Not rasch und verlässlich Hilfe zukommen zu lassen.“ Somit würden nicht primär die am meisten Schutzbedürftigen nach Europa gelangen, „sondern vor allem Menschen, die sich kriminelle Schlepper leisten können und sich stark genug für gefährliche Reisen fühlen“. „Weiter ad absurdum“ wird das bestehende EU-Asylsystem dadurch geführt, dass Menschen mit negativen Asylbescheiden „aufgrund mangelnder Kooperation von Drittstaaten vielfach nicht mehr außer Landes gebracht werden“ können.

In dem Papier wird auch vor negativen Auswirkungen eines Quotensystems zur Flüchtlingsverteilung gewarnt. „Die Verteilung geschleppter Migranten auf EU-Mitgliedstaaten würde die Situation bei neuen Migrationskrisen, mit denen leider zu rechnen ist, weiter destabilisieren.“ Außerdem würden die Schwächen bei Außengrenzschutz und Asyl „von Extremisten und Terroristen ausgenützt“, die „in gemischten Migrationsströmen“ nach Europa kämen. Unter den nach Europa geschleppten Personen sei „eine große Anzahl an kaum oder schlecht ausgebildeten jungen Männern, die alleine unterwegs sind. Viele von ihnen sind besonders anfällig für freiheitsfeindliche Ideologien oder Kriminalität“. Ausgehend davon wird als Ziel bis zum Jahr 2025 formuliert, dass es „Asyl in Europa nur für Menschen, die europäische Werte und die in der EU geltenden Grund- und Freiheitsrechte respektieren“, geben solle.

Konkret wird etwa gefordert, dass eine EU-Verordnung aufgehoben wird, das die EU-Grenzschutzorganisation Frontex die Ausschiffung von aus Seenot geretteten Migranten in sichere Drittstaaten unmöglich mache. Migranten sollen an Außengrenzen oder in Transitzonen angehalten und dann „unmittelbar“ in Schubhaft genommen und abgeschoben werden, wenn der Asylantrag nicht zulässig sei. Außerdem sollen die Rückführungsentscheidungen EU-weit harmonisiert werden und mehrfache Verfahren zur selben Person in verschiedenen Staaten unterbunden werden.

Kritisch zu dem Vorschlag äußerten sich SPÖ und Grüne. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) sagte in der ORF-Pressestunde am Sonntag, würden Vorschläge gemacht, müssten sie auch der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen. Für Außenstellen an den Grenzen gebe es Konsens, und auch die beschleunigte Frontex-Verstärkung begrüßte er. Wichtig sei, dass man „vom Reden ins Tun“ kommen solle. Der Grüne Europaabgeordnete Michel Reimon erkannte in dem Text „flüchtlingsfeindliches Framing“, „Untergangsszenarien“ und „Rassismus“.

Die Flüchtlingsexpertin Melita Sunjic kritisierte in der Tageszeitung „Kurier“ (Samstagsausgabe) in der aktuellen Debatte „Kurzsichtigkeit“ und „Populismus“. Man müsse zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheiden, vor allem aber die Geldströme der Schlepper „stoppen“. So habe sich etwa gezeigt, dass durch den EU-Türkei-Deal das Schlepperunwesen „in wenigen Monaten vom opportunistischen Geldverdienen (...) zur voll entwickelten, international organisierten Kriminalität“ geworden sei. Je restriktiver die EU-Politik werde, umso teurer und gefährlicher werde das Schleppergeschäft, so die Mitarbeiterin des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. „Man kann nicht einfach sagen: „Wir sperren die Routen.“ Die kommen trotzdem. Sie werden sich aber noch mehr verschulden.“