Brexit - EU reagiert zurückhaltend auf britische Pläne
Brüssel (APA/AFP) - Der EU-Chefunterhändler für den Brexit, Michel Barnier, hat zurückhaltend auf die britischen Pläne für die Zeit nach dem...
Brüssel (APA/AFP) - Der EU-Chefunterhändler für den Brexit, Michel Barnier, hat zurückhaltend auf die britischen Pläne für die Zeit nach dem EU-Austritt des Landes reagiert. Die Staatengemeinschaft werde genau untersuchen, ob die Vorschläge „umsetzbar und realistisch sind“, erklärte Barnier in der Nacht auf Samstag.
Vertreter von Mays Konservativen stellten sich öffentlich hinter den Plan, laut Medienberichten vom Sonntag brodelt es in der Partei aber weiter. Barnier schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, er erwarte das Weißbuch mit weiteren Einzelheiten zu den Brexit-Plänen, das die britische Regierung diese Woche vorlegen will. Nach langem Streit hatte sich das Kabinett der britischen Premierministerin Theresa May am Freitag geeinigt.
Geplant ist unter anderem eine „Freihandelszone“ mit der EU. Die britischen Vorschläge zielen darauf ab, nach dem Brexit einen harten Schnitt mit der EU zu vermeiden, wie er von vielen Hardlinern in Mays konservativer Partei gefordert wird. Die erzkonservative nordirische Democratic Unionist Party (DUP), mit deren Hilfe May in London regiert, sprach dem Plan indes vorsichtig ihre Unterstützung aus.
Öffentlich stellten sich am Samstag einige EU-kritische Minister hinter die Pläne. Die Unterhausvorsitzende Andrea Leadsom sagte, der Plan sei „gut“ für Großbritannien. Umweltminister Michael Gove, der mit May erbittert über die Brexit-Pläne gestritten hatte, erklärte, der Plan erfülle nicht all seine Forderungen, aber er sei „ein Realist“. Großbritannien werde in allen wesentlichen Bereichen souverän handeln können, sagte Gove auf BBC.
Selbst der britische Außenminister Boris Johnson, ein Brexit-Hardliner, hielt sich mit Kritik zurück. In mehreren britischen Medien hieß es am Sonntag aber, Johnson habe den Plan als „Scheißhaufen“ bezeichnet, bevor er ihm schließlich zugestimmt habe.
Die britischen Sonntagszeitungen waren voller Berichte über Widerstand gegen Mays Brexit-Pläne bei den Tories. Viele in der Partei seien damit unglücklich, sagte der EU-kritische Abgeordnete Bill Cash dem Fernsehsender Sky News.
Nigel Farage, Gründer der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (Ukip), bezeichnete das Positionspapier als „Verrat“. Derweil riefen mehr als hundert Unternehmer die Abgeordneten in einem offenen Brief in der „Times“ auf, für Großbritanniens Verbleib in der Zollunion mit der EU zu stimmen.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon, die den Brexit kategorisch ablehnt, twitterte, das Papier lese sich wie „Rosinenpickerei“. Der Vize-Premierminister der Republik Irland, Simon Coveney, erklärte, die Pläne müssten „eingehend erörtert“ werden. „Viel Arbeit vor uns“, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Für Industriegüter und landwirtschaftliche Produkte strebt London ein „gemeinsames Regelbuch“ mit der EU an, um Standards und Richtlinien zu harmonisieren. Damit sollen grenzüberschreitende Lieferketten - wie etwa in der wichtigen Automobilindustrie - geschützt werden.
Die freie Personenverkehr für EU-Bürger soll allerdings beendet werden. Auch im Dienstleistungsbereich will Großbritannien ausscheren und eigenen Regeln folgen. Dies gilt auch für die wichtige Finanzindustrie. Nach dem Brexit strebt Großbritannien eigene Handelsabkommen mit Ländern „rund um die Welt“ an, wie May sagte.
Die europäische Zollunion will Großbritannien verlassen. Um Grenzkontrollen insbesondere an der Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied zu vermeiden, will die Regierung EU-Zölle auf jene Waren erheben, die für die Ausfuhr in die EU bestimmt sind. Dies laufe darauf hinaus, dass die EU und Großbritannien „wie ein gemeinsames Zollgebiet“ behandelt würden, teilte die Regierung mit.
Unterdessen beginnt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am (heutigen) Sonntag einen dreitägigen Besuch auf den Britischen Inseln. Am Abend trifft er in Dublin mit seinem irischen Amtskollegen Leo Varadkar zusammen, für Montag ist ein Gespräch mit der britischen Premierministerin Theresa May geplant. Hauptthema der Reise ist der Brexit. Im Vorfeld der Reise bezeichnete Kurz den für März 2019 geplanten britischen EU-Austritt als „eines der wichtigsten Themen, das uns während unseres Ratsvorsitzes beschäftigen wird“.