Nissan

Der Leaf-Leinenzwang wird gelockert

Optisch attraktiver, zügiger beim Beschleunigen und mehr Ausdauer hinsichtlich Reichweite: der Leaf der zweiten Generation.Foto: Höscheler
© Nissan

Mehr Reichweite, mehr Leistung, mehr dynamische Ausstrahlung und mehr Wertigkeit im Innenraum sind Pluspunkte des erfolgreichsten Elektroautos der Welt in zweiter Generation.

Von Markus Höscheler

Sistrans –Nissan hat zwei Probleme zu bewältigen, wir hatten zwei Probleme zu lösen, am Schluss sollte sich dennoch eine Erfolgsgeschichte ausgehen. Wo drückt Nissan der Schuh? Beim Elektrofahrzeug Leaf liegt das an der Wahrnehmung – der Kompaktwagen ist volumenmäßig die klare Nummer eins im Bereich reiner Elektromobilität, zumindest global betrachtet. Nur: Die Schlagzeilen machen in diesem Metier andere, vor allem Tesla, aber auch Jaguar mit dem I-Pace oder Audi mit dem e-tron. Dem Leaf fehlt offenbar etwas der Glamour-Anstrich. Die Kunden stört das nicht, aber damit sind wir bei Problem Nummer zwei: Wer einen Leaf haben möchte, der muss Geduld haben, denn derzeit ist mit langen Lieferfristen zu rechnen.

Damit musste sich die TT vorerst nicht herumschlagen, sie hatte das Glück, einen Testwagen zwei Wochen lang fahren zu dürfen. Ganz so einfach sollte es dann aber doch nicht sein – denn der Akku des in der Tiefgarage abgestellten Modells war nur zu fünf Prozent geladen, das Ladekabel für die gewöhnliche Haushaltssteckdose war defekt. Ein Garagen-Auto also? Glücklicherweise nicht, denn ein Parallel-Tester, der Toyota Prius Plug-in, konnte ein passendes Ladekabel lockermachen und dem Leaf aus der Patsche helfen – und uns mit einem weiteren Problem beschäftigen: der Klimaanlage. Die, aktiviert, reduziert nicht nur die geschätzte Reichweite auf Anhieb um 20 Kilometer, sondern arbeitet nicht ganz so, wie wir es uns im Hochsommer erwartet hätten. Die Lösung? Alle Fenster auf und weiterfahren!

Und dann kann der Leaf in vielerlei Hinsicht überzeugen: Mit seinem leistungsstarken Elektromotor, immerhin 150 Pferdestärken mobilisierend. Das Aggregat arbeitet leise und sehr effektiv, das E-Pedal kann so geführt werden, dass das Fahrzeug bei weniger Druck anfängt zu bremsen. Das mag anfangs irritieren, ist aber schnell erlernt und recht praktisch – der Wechsel zum Bremspedal fällt in der Folge zumeist aus.

Noch mehr Freude als das Beschleunigungsverhalten bereitet die gestiegene Reichweite: Im Test etablierten sich rund 250 Kilometer als praxisnah und praxistauglich. Dafür sorgt ein Lithium-Ionen-Akku mit einem Fassungsvermögen von gut 40 Kilowattstunden. Damit ließe sich recht sorgenfrei eine Fahrt von Innsbruck nach Osttirol (oder an den Gardasee) arrangieren, wobei wir den Aufenthalt in langen Staus nicht empfehlen.

Das liegt allerdings nicht am aufgeräumten Interieur: Der Innenraum überzeugt mit großzügigem Platzangebot in beiden Reihen, das digital dominierte Instrumentarium ist gut ablesbar, das Infotainmentsystem braucht samt Touchscreen-/Direktwahltasten-Kombi etwas Einarbeitungszeit.

Keine Gewöhnungszeit ist erforderlich, was die Optik anbelangt. Der Leaf der zweiten Generation hat gegenüber dem Vorgänger deutlich an dynamischer Ausstrahlung gewonnen – das korrespondiert mit den erlebten, zuvor beschriebenen Fahrleistungen. Die Außenwirkung ist zum Teil der gewählten Höchstausstattung Tekna geschuldet, etwa den dunkel gefärbten Seitenscheiben hinten und den in Schwarz lackierten B-Säulen. Auch die geschwungene Dachlinie, die LED-Scheinwerfer (Serie ab Tekna) und die optionale Zweifarbenlackierung (ab 1050 Euro extra) lassen den Leaf strahlen – von der markanten Front nicht zu reden.

Wer Tekna inklusive üppigem Fahrerassistenz-Einsatz, Winterpaket und Bose-Sound-System begehrt, sollte mindestens 39.850 Euro auf der Seite haben. Günstiger ließe sich das Modell mit der Basisausstattung Visia ab 32.950 Euro erwerben, eine größere Verzichtsleistung hinsichtlich Extras vorausgesetzt. Ungeachtet der eingangs beschriebenen Problemstellung schreibt der Leaf der zweiten Generation wieder eine Erfolgsgeschichte: Seit seiner Vorstellung im Herbst 2017 gibt es 37.000 Bestellungen vor.