Detektivroman und Zeitreise: Decars „Tausend deutsche Diskotheken“
Berlin (APA/dpa) - Frankie ist cool. So cool wie Sam Spade, Philip Marlowe und die anderen Helden in den klassischen Detektivromanen von Das...
Berlin (APA/dpa) - Frankie ist cool. So cool wie Sam Spade, Philip Marlowe und die anderen Helden in den klassischen Detektivromanen von Dashiell Hammett, Raymond Chandler und Co. Jedenfalls stellt er sich so dar als Erzähler und Hauptfigur des Krimis „Tausend deutsche Diskotheken“ von Michel Decar.
München, Sommer 1988. Frankie arbeitet als Privatdetektiv, und wie es scheint, fliegen ihm die Aufträge nur so zu, ohne dass er viel dafür tun müsste. So auch am Beginn der Geschichte, die er im Roman erzählt. Eigentlich war er ja nur am Abend auf ein paar Drinks in sein Stammlokal gegangen, als ihn eine junge Frau anspricht und ihn mit zu sich nach Hause nimmt.
Aber dann verläuft der Abend doch ganz anders, als Frankie erwartet hatte. Denn in der Wohnung der Blondine wartet statt einer heißen Nacht Mauke. Der sitzt im Vorstand der Bundesbahn und hat ein Problem, das Frankie für ihn lösen soll. Jemand habe ihn angerufen und ihm wichtige Informationen angeboten. Zu dem vereinbarten Treffen am nächsten Morgen sei es dann aber nicht gekommen.
Nun will Mauke unbedingt wissen, wer ihm eminent wichtige Informationen verkaufen wollte. Frankie soll den Mann finden. Eigentlich kein Problem für einen so coolen Privatdetektiv wie Frankie. Es gibt da allerdings ein Problem. Mauke hat nicht die geringste Ahnung, wer der Anrufer gewesen sein könnte. Er hat lediglich zwei Hinweise: Der Anruf kam wohl aus einer Diskothek, und im Hintergrund lief gerade „White Heat“ von Madonna. Leicht verdientes Geld, denkt sich Frankie und nimmt den Auftrag an.
Damit beginnt eine aberwitzige Reise durch die deutschen Diskotheken des Jahres 1988. Es ist dann doch nicht so einfach herauszufinden, in welcher Diskothek am Samstagabend gegen 23.40 Uhr der Madonna-Song gespielt worden ist. Also zieht Frankie durch die Münchner Discos, trinkt Bacardi Colas, raucht Marlboro Menthol-Zigaretten und findet die Antwort nicht.
Allmählich erweitert Frankie seinen Radius. Er fährt mit seinem zucchinigrünen Opel Admiral in andere Städte oder schickt einen Studenten quer durchs Land, trinkt viel, raucht noch mehr, trifft alte Bekannte, die sich nicht wirklich an ihn hatten erinnern wollen, und findet immer neue Gründe, die vielen Städte, die er besucht, nicht zu mögen.
Und warum das alles? Die Antwort gehört genauso in die späten 80er Jahre wie die Musik, die in den Diskotheken gespielt wird. Denn Mauke ist einer gewaltigen Verschwörung auf der Spur. Einer seiner Vorstandskollegen bei der Bundesbahn soll ein Agent der DDR sein, der die Bundesrepublik in den Zusammenbruch treiben könnte.
Immer abenteuerlicher werden Frankies Nachforschungen, und immer verzweifelter wird er selbst: „Immer wenn ich versuchte die ganze Sache zu entwirren, verwickelte ich mich in neue Widersprüche, in neue Ungereimtheiten. Ich hatte das Gefühl, dass mich jede Stadt und jede Diskothek, die ich besuchte, weiter weg vom eigentlichen Zentrum führte.“
Der Roman wird immer abenteuerlicher und absurder, bis Frankies Suche ihren aberwitzigen Höhepunkt erreicht. So richtig hat der Held immer noch nicht verstanden, was er da eigentlich macht, aber das hat er in vielen Wortkaskaden beschrieben. Und dabei viel 80er-Jahre-Flair entwickelt.
„Tausend deutsche Diskotheken“ ist der erste Roman von Michael Decar (Jahrgang 1987). Bislang war dieser hauptsächlich für die Bühne tätig. Im vergangenen Jahr sorgte sein Theaterstück „Philip Lahm“ in München für Aufsehen.
(S E R V I C E - Michel Decar: „Tausend deutsche Diskotheken“, Verlag Ullstein fünf, 240 Seiten, 20,60 Euro)