Puigdemont will in Brüssel für Unabhängigkeit Kataloniens kämpfen
Berlin (APA/AFP/Reuters) - Nach vier Monaten Zwangsaufenthalt in Deutschland kehrt der katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont i...
Berlin (APA/AFP/Reuters) - Nach vier Monaten Zwangsaufenthalt in Deutschland kehrt der katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont in sein belgisches Exil zurück, um von Brüssel aus weiter für die katalanische Unabhängigkeit zu kämpfen. „Ich werde an diesem Wochenende nach Belgien zurückkehren“, sagte Puigdemont am Mittwoch in Berlin.
In Brüssel werde er seine Arbeit im Rahmen des katalanischen Exil-Rates fortsetzen. Er rief die neue spanische Zentralregierung erneut zu Gesprächen über eine politische Lösung des Katalonien-Konflikts auf.
Puigdemont war vor vier Monaten auf dem Rückweg nach Brüssel in Schleswig-Holstein festgenommen worden. In der belgischen Hauptstadt hatte er seit der Absetzung seiner Regierung durch Madrid im Oktober infolge eines umstrittenen katalanischen Unabhängigkeitsreferendums im Exil gelebt.
Grundlage für seine Festnahme war ein europäischer Haftbefehl Spaniens, doch lehnte die deutsche Justiz letztlich seine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion ab und stimmte lediglich einer Auslieferung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zu. Daraufhin hob das Oberste Gericht in Madrid den europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont wieder auf. Nun kann sich der Katalane außerhalb Spaniens nun wieder frei in Europa bewegen. Ihm droht aber in seiner Heimat allerdings weiter die sofortige Inhaftierung, sollte er dorthin zurückkehren. Auf den Straftatbestand der Rebellion stehen in Spanien bis zu 25 Jahre Gefängnis.
Er werde am Samstag aus Deutschland abreisen und seine Familie mitnehmen, kündigte Puigdemont an. Er sei in Deutschland mit großer Herzlichkeit aufgenommen hervorragend behandelt worden. Dafür bedanke er sich. Auch während seiner Haft sei ihm mit außerordentlichem Respekt und mit sehr viel Wohlwollen begegnet werden.
„Heute könnte ich wieder auf katalanischen Boden zurückkehren, aber das wäre der französische Teil - und der französische Teil gehört natürlich auch zu Katalonien“, sagte Puigdemont zu seinem Exil. Brüssel habe er als Ort seiner künftigen politischen Aktivitäten gewählt, weil der Konflikt um die katalanische Unabhängigkeit längst keine innerspanische Angelegenheit mehr sei, sondern eine europäische. Puigdemont musste allerdings einräumen, dass die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter von keinem einzigen Staat in der EU unterstützt werden.
Er fühle sich weiterhin einem Mandat der Bevölkerung Kataloniens verpflichtet, für dessen Unabhängigkeit zu kämpfen, sagte der Ex-Regionalpräsident. Berichte, nach denen Russlands Präsident Wladimir Putin die Separatisten unterstütze und nach denen immer mehr wichtige Firmen aus der Region abwanderten, nannte er „Fake News“. Jüngste Zahlen zeigten zudem, dass Katalonien wirtschaftlich als unabhängiges Land überleben könne. „Jeder weiß (...), dass eine Unabhängigkeit wirtschaftlich machbar und sinnvoll ist.“
Mit dem Regierungswechsel in Spanien machte Puigdemont einen Stimmungswechsel in Hinblick auf den Katalonien-Konflikt aus. Er forderte die neue spanische Regierung in Madrid auf, jetzt konkret über die Unabhängigkeit mit den Separatisten zu verhandeln. „Jetzt ist keine Zeit mehr für Gesten, sondern für Fakten.“ Der neue sozialistische Regierungschef Pedro Sanchez vertritt im Katalonien-Konflikt eine weniger harte Linie als sein konservativer Vorgänger Mariano Rajoy.
In Brüssel will Puigdemont neben seiner Arbeit im katalanischen Exil-Rat auch die für Oktober geplante Gründung einer neuen Partei vorantreiben, welche die zersplitterten Unabhängigkeitsbefürworter Kataloniens zusammenführen soll.
Das Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 in Katalonien hatte das spanische Verfassungsgericht im Vorfeld als unerlaubt eingestuft. Mit massiver Polizeigewalt versuchte Madrid, den Urnengang zu verhindern, der aber dennoch umgesetzt wurde.
Als Puigdemont und seine Regionalregierung nach dem Votum die Unabhängigkeit ausriefen, wurden sie von Madrid abgesetzt und die Region wieder unter spanische Direktverwaltung gestellt. Bei Neuwahlen im Dezember in Katalonien bekamen die Unabhängigkeitsbefürworter aber wieder die Mehrheit.
Puigdemont hob erneut hervor, dass sich die katalanische Bevölkerung mehrheitlich klar für die Unabhängigkeit ausgesprochen habe. Und er betonte, dass Referenden nach der spanischen Verfassung nicht verboten seien. „Wir hätten sehr, sehr gerne ein Referendum nach schottischem Vorbild“, fügte er hinzu.
Scharfe Kritik übten Puigdemont und seine Anwälte, die ebenfalls bei der Pressekonferenz dabei waren, erneut an der spanischen Justiz. So habe sogar die spanische Regierung zum Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder, der sich auf das Abhalten des Referendums bezieht, gesagt, „dass kein einziger Euro veruntreut worden sei“. In Spanien sitzen seit Monaten auch neun katalanische Unabhängigkeitsanführer im Gefängnis, die Barcelona als „politische Gefangene“ ansieht.