Haus der Geschichte - Direktorin will „Konfliktlinien offenlegen“

Wien (APA) - Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) wird am 10. November eröffnet. Mit der fertigen Sanierung der Räumlichkeiten in der N...

Wien (APA) - Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) wird am 10. November eröffnet. Mit der fertigen Sanierung der Räumlichkeiten in der Neuen Burg ist nun der Weg frei für die museale Einrichtung. Direktorin Monika Sommer gab im Rahmen eines Lokalaugenscheins über den Stand der Dinge Auskunft.

APA: Frau Dr. Sommer, etwas mehr als drei Monate vor der Eröffnung lautet die wichtigste Frage wohl: Alles im Zeitplan?

Monika Sommer: Ja, es ist alles im Zeitplan. Ich freue mich sehr, dass die Baustelle rechtzeitig fertig geworden ist. Der heutige Tag ist wirklich ein Meilenstein. Wir sind jetzt in den Ausstellungsräumlichkeiten staubfrei und können beginnen, die Ausstellung zum Republiksjubiläum aufzubauen. Als nächste Schritte werden die Vitrinen und die Medieninstallationen aufgebaut und die Objekte eingebracht.

APA: Wie wird sich dieses neue Zeitgeschichtsmuseum von Museen klassischen Zuschnitts unterscheiden?

Sommer: Ich finde es eine tolle Chance, ein Museum im 21. Jahrhundert völlig neu aufbauen zu können. Wir sind im museologischen Zugang up to date. Wir erzählen die Geschichte Österreichs in sieben thematischen Zugängen und sind auch technisch am Stand der Dinge. Man wird sich als Besucherin, als Besucher auf verschiedenste Weise einbringen können, hier vor Ort in der Ausstellung, aber auch über unsere Web-Plattform, wo man eigene Bilder und Erfahrungen zu diesem Jahrhundert hochladen können wird. Das zeigen wir dann auch in der Ausstellung. Man kann sie also quasi von zu Hause aus mitgestalten.

APA: Das Haus der Geschichte hat bei seiner Gründung über keine Sammlung verfügt. Sind Objektpräsentationen heutzutage überhaupt noch sinnvoll und notwendig?

Sommer: Ich bin total überzeugt von der Aura des Objekts, von der Evidenz der Dinge. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die beiden Räume, den realen und den virtuellen, verbinden. Wir leben in unserem Alltag ja auch in beiden Räumen. Es ist richtig, das Haus der Geschichte hatte bis vor kurzem keine eigene Sammlung. Es ist uns aber gelungen, einige Objekte anzukaufen bzw. als Schenkung zu bekommen. Wir verstehen uns ja auch als Knotenpunkt in einer bereits existierenden Museumslandschaft, und viele österreichische, aber auch internationale Museen sind ebenso unsere Leihgeber wie Privatpersonen. Wir erfahren da viel Unterstützung.

APA: Beim Rücktritt zweier Beiratsmitglieder wurde auch Kritik am angeblich fehlenden schlüssigen Narrativ der Ausstellung geübt. Welche Geschichte erzählt nun das Haus der Geschichte Österreich?

Sommer: Die Geschichte Österreichs ist ja vielfältig und komplex, wir werden sie auch nicht in eine einzige Geschichte pressen. Die Ausstellung heißt „Aufbruch ins Ungewisse - Österreich seit 1918“ und wird in sieben Themen interessante Zugänge zu diesem österreichischen Jahrhundert verhandeln. Wir gehen von 1918 aus und haben festgestellt, dass die Zukunft für die Menschen noch nie so offen war wie damals, da man sich plötzlich auch in einem ganz neuen Staatssystem befunden hat. Davon ausgehend spannen wir einen Bogen bis in die Gegenwart. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Jahre ohne Demokratie, sprich die beiden Diktaturen, die Österreich in diesem Jahrhundert erlebt hat. Interessant ist auch der Schwerpunkt zur Frage: „Das ist Österreich!?“ Das wird ja immer wieder neu verhandelt.

APA: Gerade die Zwischenkriegszeit wird von den unterschiedlichen politischen Lagern meist unterschiedlich interpretiert. Wie offen ist die Ausstellung für verschiedene Interpretationen?

Sommer: Wir gehen mit offenen Konflikten auch ganz offen um. Die Jahre 1933/34 bis 1938 gelten ja in den Geschichtswissenschaften als „Diktatur ohne Namen“, da konnte sich auch unser wissenschaftlicher Beirat nicht verständigen, mit welchem Begriff wir in der Ausstellung arbeiten sollen. Ich habe jetzt entschieden, dass wir als Diskussionsvorschlag den Begriff „Dollfuß/Schuschnigg-Diktatur“ verwenden, und gleichzeitig gibt es eine Installation in der Ausstellung, in der vermittelt wird, warum denn diese Begriffe nach wie vor so umstritten sind.

APA: Sie richten sich hier nun häuslich ein, wissen aber gleichzeitig nicht, ob und wann sie wieder ausziehen müssen. Wie geht es Ihnen mit dieser Ungewissheit?

Sommer: Es steht im Regierungsprogramm, dass das Haus der Geschichte evaluiert wird, sowohl was den Ort, das Konzept aber auch die Finanzierung betrifft. Es war aber auch immer klar: Bundesminister Blümel steht hinter dieser Ausstellung. Und es gibt die Zusage, dass wir so lange in diesen Räumlichkeiten bleiben können, bis es eine andere kulturpolitische Entscheidung gibt. Das ist also ein offener Prozess, und ich bin sehr zuversichtlich, dass in dem Moment, wo die Ausstellung Realität wird, sich auch wieder neue Zugänge zu dem Haus eröffnen. Was das Projekt jahrzehntelang blockiert hat, war ja auch die Tatsache, dass immer viel zu parteipolitisch über dieses Haus nachgedacht wurde. Ich bin mit einem überparteilichen Verständnis und einem sehr sachlichen Zugang angetreten. Dort, wo es in der Wissenschaft keinen Konsens gibt, legen wir die Konfliktlinien auch offen und muten unseren Besucherinnen und Besuchern auch zu, sich selber ein Bild zu machen.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)