Weder Anführer, noch Ideen: Italiens Opposition in der Wüste

Rom (APA) - Weder Anführer, noch Ideen: Die italienische Opposition versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Zwei Monate nach der Bildung des Ka...

Rom (APA) - Weder Anführer, noch Ideen: Die italienische Opposition versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Zwei Monate nach der Bildung des Kabinetts aus der rechten Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung genießen die beiden Regierungsparteien eine für Italien präzedenzlose Unterstützung: 60 Prozent der Italiener sind laut Umfragen auf ihrer Seite.

Die beiden stärksten Oppositionskräfte - die Demokratische Partei (PD) und die Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi - haben sich von den starken Stimmenverlusten bei den Parlamentswahlen am 4. März immer noch nicht erholt. Ihre Bemühungen, als europaorientierte, vernünftige Kräfte das Vertrauen der Wählerschaft zurückzuerobern, zeigen keine Resultate. Während der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini täglich mit scharfen Tönen für Schlagzeilen sorgt, schweigt die Opposition und überlässt ihm die Bühne. „Italiens Opposition ist in der Wüste“, kommentierten politische Analysten in Rom.

Parteiinterne Machtkämpfe haben die PD nach Ende der Ära ihre Vorsitzenden Matteo Renzi vollkommen ausgehöhlt. Der junge neue Parteichef Maurizio Martina zeigt weder Charisma noch Durchsetzungskraft, um die Sozialdemokraten neu zu gründen, die trotz der Wahlniederlage immer noch mit sterilen parteiinternen Machtkämpfen beschäftigt sind. Mangel an einem klaren Oppositionsprogramm und die Präsenz mehrerer Streithähne, die Parteichef Martina beim Kongress im kommenden Frühjahr beerben wollen, haben die Partei vollkommen entkräftet. An eine scharfe Opposition gegen die europakritische Regierung ist nicht zu denken.

„Die PD ist tot, weil sie ihre sozialdemokratischen Werte verraten hat, um mit der sogenannten Modernität Schritt zu halten. Sie hat vor allem die zunehmende Nachfrage der Italiener nach einer Moralisierung des politischen Systems ignoriert“, kommentierte die römische Tageszeitung „Il Fatto quotidiano“.

Nicht gesünder steht zurzeit die Forza Italia da. Die konservative Partei konnte nicht aus dem Schatten der schwindenden Popularität ihres Gründers und Alleinherrschers Berlusconi treten und zur Selbstständigkeit gelangen. Überrundet wurde sie bei den Parlamentswahlen von der durchsetzungskräftigeren Lega Salvinis, die der Wählerschaft mit ihrem Versprechen nach einem entschlossenen Kampf gegen den Menschenhandel und für mehr Sicherheit viel überzeugender erscheint.

In den letzten Monaten hatte Berlusconi mehrere harte Brocken zu schlucken. Zähneknirschend musste der Medienunternehmer zusehen, wie der ambitionierte Salvini, mit dem er eine Wahlallianz eingegangen war, immer mehr politisches Gewicht erlangte. 24 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik, nach vier Amtszeiten als Premier, Höhenflügen und tiefen Krisen, muss der der 81-Jährige Jüngeren das politische Parkett überlassen.

Beflügelt von der Schwäche der Opposition und einem Volkskonsens ohnegleichen segeln Italiens Regierungskräfte auf Höhenflug. Salvinis Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung können laut jüngsten Umfragen jeweils mit über 30 Prozent der Stimmen rechnen. Noch nie waren Regierungskräfte in Italien so stark. „Das ist ein präzedenzloser Fall für Italien. Die Oppositionskräfte kommen laut Umfragen zusammen auf lediglich 25 Prozent der Stimmen. Ihnen fehlt jegliche Legitimierung, um den Italienern eine Alternative zur jetzigen Regierung zu bieten“, kommentierte die Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“. Das Blatt sprach von einer „blockierten Demokratie in Italien“ - einer Situation, die mittelfristig problematisch werden könnte.

Von dieser Lage profitiert vor allem Salvini, der in seiner dreifachen Rolle als Innenminister, Vizepremier und Lega-Chef der wahre Herrscher auf Italiens politischem Parkett ist. Ob bei Einwanderung, Wirtschaftsreformen oder EU-Politik: Überall hat der bärtige Mailänder das Sagen. Mit seinem entschlossenen Auftreten in Brüssel und der Schließung der Häfen für NGO-Schiffe konnte Salvini seine Popularität stark steigern. Ob die Attacken gegen Flüchtlinge jedoch mittelfristig genügen werden, um die Gunst der Wählerschaft zu behalten, ist eine offene Frage. Denn die Regierung steht nach der Sommerpause vor mehreren Hürden.

Die Regierung von Giuseppe Conte muss im Parlament den Budgetentwurf für das nächste Jahr vorstellen. Italien darf von der Budgetdisziplin nicht abweichen. Im Gegensatz zu früheren Prognosen dürfte sich heuer das italienische Wirtschaftswachstum leicht abschwächen. Fraglich ist, wie die Regierung drei wesentliche Maßnahmen ihres Koalitionsprogramms finanzieren will: Die Mindestsicherung, die Einführung einer „Flat tax“ und eine Umgestaltung der unpopulären Pensionsreform.

Wirtschaftsminister Giovanni Tria hat bisher noch nicht klargemacht, wie diese Wahlversprechen finanziell konkretisiert werden sollen. Von deren Umsetzung hängt aber die Zukunft der Regierung Conte ab. Denn abseits von der Anti-Migrationsrhetorik erwarten sich die Italiener von der neuartigen Allianz aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung vor allem Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung. Ob dies die beiden europakritischen Parteien langfristig garantieren können, ist noch eine durchaus offene Frage.