17 Freisprüche: Richter sieht keine Verhetzung durch Identitäre
Im Falle der Vorwürfe der Gründung einer kriminellen Organisation und der Verhetzung wurden alle 17 Beschuldigten freigesprochen. Kleinere Delikte wurden bestraft. Der Richter wollte namentlich nicht genannt werden.
Graz – Mit Freisprüchen in den relevanten Anklagepunkten ist am Donnerstag der Prozess gegen 17 Anhänger der rechtsradikalen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) im Grazer Straflandesgericht zu Ende gegangen. Der Richter hat die Beschuldigten von den Vorwürfen der Verhetzung und der kriminellen Vereinigung freigesprochen, zwei Angeklagte wurden zu Geldstrafen wegen Sachbeschädigung verurteilt.
Der Prozess begann am 4. Juli und dauerte zehn Tage. Auf der Anklagebank saßen 16 Männer und eine Frau, alle im Alter von 20 bis 35 Jahre. Ihnen wurde vorgeworfen, an einer kriminellen Vereinigung teilgenommen zu haben, einigen auch Verhetzung, Sachbeschädigung, Nötigung und in einem Fall Körperverletzung. Es ging um Aktionen in Graz, Wien, Klagenfurt und Maria Lankowitz, an denen sie in unterschiedlicher Formation teilgenommen hatten.
Staatsanwalt: „Front von Feiglingen“
„Sie stellen sich als eine Front von Gesetzestreuen dar und begehen fortwährend Gesetzesbruch“, wetterte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. Er sprach über die Sachbeschädigungen im Zuge diverser Aktionen, die vom IBÖ-Programm „Integration ist Lüge“ ausgegangen waren. Dazu gehörte auch der Sturm einer Vorlesung in Klagenfurt, bei der der Rektor einen Faustschlag gegen den Bauch erhielt. Man hätte sich auch der Diskussion stellen können, so der Ankläger: „Sie sind für mich keine Front von Patrioten, sondern eine Front von Feiglingen.“
Bei einer anderen Aktion wurde die einzige weibliche Angeklagte geschickt, um Wände zu besprühen. „Sie ist auch ein Opfer, sie wäre von selbst nie auf so eine Idee gekommen. So geht man mit denen um, die man nicht als Elite sieht“ , war der Staatsanwalt in Hinblick auf die Hierarchie innerhalb der IBÖ überzeugt.
Im Zentrum der Anklage standen die kriminelle Vereinigung und die Verhetzung. „Sie vermeiden jede Differenzierung, weil Hetze einfacher ist. Sachkundige Kritik ist schwierig“, warf der Ankläger den Beschuldigten vor, die er als „Pseudomoralisten, die vorgeben, den Staat zu beschützen“, bezeichnete. „Was kommt als nächstes vom IBÖ? Kauft nicht bei Muslimen?“
Verteidiger sah „schwache Argumente“
Verteidiger Bernhard Lehofer, der alle 17 Beschuldigten vertrat, bewertete die Aussagen des Anklägers als „untergriffig“, was ein Zeichen für „schwache Argumente“ wäre. „Man geht auf Pickerljagd, um sie zu kriegen“, formulierte er als Erwiderung auf den Vorwurf der Sachbeschädigung durch Aufkleber.
Die Kritik der IBÖ habe sich im Übrigen „nie gegen Flüchtlinge“ gerichtet. „Es gibt eine Parallelgesellschaft bei uns, und da sind nicht die Identitären schuld, sondern eine verfehlte Politik seit 20, 30 Jahren.“ In der strittigen Vorlesung in Klagenfurt sei es um Inklusion gegangen, der Gedanke „Altes weg, gemeinsam etwas Neues schaffen“ könne als „Selbstabschaffung“ interpretiert werden. „Und da darf man dagegen polarisieren, ohne dass man gleich SA ist“, betonte der Anwalt.
Alle Angeklagten wurden vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der Verhetzung freigesprochen. Jener Beschuldigte, der dem Rektor der Klagenfurter Uni einen Bauchschlag versetzt haben soll, wurde wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung zu einer Geldstrafe von 720 Euro verurteilt. Ein weiterer Angeklagter muss wegen Sachbeschädigung 240 Euro zahlen.
Richter will namentlich nicht genannt werden
„Wenn eine Organisation im Kernbereich legale Tätigkeiten ausübt, ist es keine kriminelle Vereinigung, auch wenn sich daraus Straftaten ergeben“, lautete die Kernaussage der Urteilsbegründung. Der Richter - der namentlich nicht genannt sein wollte - ging in seiner ausführliche Urteilsbegründung auf die einzelnen Aktionen der IBÖ ein und begründete, warum alle 17 Angeklagten vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der Verhetzung freigesprochen wurden. So sei seiner Meinung nach das Transparent „Islamisierung tötet“, das vom Dach der Parteizentrale der Grazer Grünen heruntergelassen wurde „keine Kritik am Islam, sondern an der Grünen-Politik und dem radikalen Islamismus.“
Die Aktion an der Klagenfurter Universität, bei der eine Vorlesung gestürmt worden war, „wies auf Gefahren des politischen und radikalen Islam hin, und diese waren im Herbst 2016 gegeben“, so die Urteilsbegründung. Der Slogan der IBÖ „Integration ist Lüge“ richte sich „nicht gegen Integration, sondern gegen eine verfehlte Politik.“ Die Lehrveranstaltung, die gestört worden war, hatte das Ziel, Integration zu fördern. „Diese Meinung kann man teilen, muss man aber nicht“, meinte der Richter.
Die beiden Verurteilten gaben ebenso wenig wie der Staatsanwalt eine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (TT.com, APA)