Nach Attacke

Online-Portal in der Kritik: ,,Das hat mit Journalismus nichts zu tun“

Polemik, Verzerrung, Falschmeldungen: Nicht alles, was in manchen Zeitungen oder deren Websites steht, eignet sich zum weiterverbreiten.
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Der schon mehrmals vom Presserat verurteilte „Wochenblick“ attackiert eine Journalistin – und erfährt Verbreitung durch einen Polit-Promi.

Carmen Baumgartner-Pötz

Wien –Ingrid Brodnig ist Kritik an ihrer Arbeit und Aufregung im Internet gewöhnt. In ihren Büchern „Hass im Netz“ und „Lügen im Netz“ geht die 33-Jährige den immer weiter um sich greifenden Phänomenen unserer Zeit auf den Grund. 2017 wurde die freie Journalistin und Autorin von der (damals noch SPÖ-geführten) Bundesregierung als ehrenamtliche digitale Botschafterin in die EU-Kommission entsandt – aufgrund ihrer Expertise.

Umso erstaunlicher, dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) diese Woche über seinen Facebook-Account einen reißerischen Artikel des Wochenblick über bzw. gegen Brodnig geteilt hat. So wurde dieser auch durch andere FPÖ-Politiker verbreitet und erhielt eine Sichtbarkeit bei Fans der Partei, die er sonst nicht erreicht hätte.

Brodnig machte diesen Umstand auf Twitter öffentlich und kritisierte den Umstand, dass „der Vizekanzler der Republik dubiose Medien teilt“, wie sie sagt. „Ich widme verunglimpfenden Postings und Kommentaren eigentlich nicht zu viel Zeit. Mich ärgert allerdings das Desavouieren von Journalistinnen. Und in dem Moment, in dem ein Mitglied der Bundesregierung so etwas verbreitet, muss man das thematisieren“, erklärt die Digitalexpertin gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Der Pressesprecher Straches wollte das Posting-Verhalten des Vizekanzlers nicht kommentieren.

Dass Politiker (aller Parteien) mediale Inhalte in den sozialen Netzwerken teilen und weiterverbreiten, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Der Wochenblick allerdings scheint ein Fall für sich zu sein. Das oberösterreichische Online-Portal wurde bereits mehrfach vom Presserat gerügt oder verurteilt. In seiner aktuellen Entscheidung übt das freiwillige Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse sogar massive Kritik an der Seite, weil in einer Artikelserie über Flüchtlinge und Migration in Schweden die Leser „auf geradezu systematische Art und Weise getäuscht wurden“, wie es in der Rüge heißt. Alle fünf beanstandeten Texte, so der Senat 2 des Presserats, verstoßen gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse, unter anderem gegen Punkt 7 „Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung“ und Punkt 2.1 „Gewissenhafte Wiedergabe von Nachrichten“.

Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek über die Methoden des Mediums: „Verzerrung hat dort System, es wird bewusst mit Falschmeldungen gearbeitet und auf Recherche verzichtet. Das hat nichts mit professionellem Journalismus zu tun, sondern ist Meinungsmache und Irreführung“, so Warzilek auf TT-Nachfrage. Der Wochenblick erkennt die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht an, äußert sich allerdings immer wieder polemisch über diesen. „Auf diesen Dialog steigen wir nicht ein“, sagt Warzilek, „wir behandeln die Fälle wie alle anderen auch.“

Brodnig ist ins Visier des Wochenblick geraten, nachdem sie mit einem Kollegen im Nachrichtenmagazin profil schon mehrmals kritische Geschichten über das Medium und dessen Nähe zur FPÖ veröffentlicht – und die Finanzierung hinterfragt hat. „Das Blatt stellt immer wieder Einzelne an den Pranger – Journalisten, aber auch Historiker oder etwa Gewerkschafter“, weiß Brodnig. Schon öfter musste das Blatt aufgrund seiner Berichterstattung vor Gericht: Im März ist das Online-Portal am Landesgericht Ried im Innkreis wegen übler Nachrede zur Zahlung von 3000 Euro verurteilt worden (nicht rechtskräftig). Inhaltlich ging es um die Berichterstattung über den Abbruch eines Extremismus-Vortrages an einer Linzer Schule auf Intervention eines FPÖ-Nationalratsabgeordneten. Dem Vortragenden wurde in dem Artikel vorgeworfen, von den Schülern „Eintrittsgeld“ abkassiert zu haben. In einem anderen Fall wehrte sich die Gewerkschaftsjugend Oberösterreich gegen den Vorwurf, dass AK-Gelder für ein „Antifa-Seminar“ – eigentlich eine Bildungsreise über die Hintergründe der Franco-Diktatur – verwendet wurden. Der Wochenblick musste eine Unterlassungserklärung unterzeichnen, ein Teil des Prozesses läuft noch.