Salzburger Festspiele: Eine Eröffnung im europäischen Geist

Salzburg (APA) - Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Freitagmorgen bei strahlendem Wetter seine zweite Eröffnung der Salzburger ...

Salzburg (APA) - Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Freitagmorgen bei strahlendem Wetter seine zweite Eröffnung der Salzburger Festspiele vorgenommen. Passend zur Weltlage und der zahlreich erschienenen Politprominenz, rückten die Eröffnungsreden vor allem die Frage Europas in den Mittelpunkt. In der offiziellen Festspielrede indes widmete sich der deutsche Historiker Philipp Blom der Aufklärung.

Bis 30. August sind die Festspiele nun wieder der Nabel der Musik- und Theaterwelt, wobei man letztlich bereits vergangenen Freitag mit der mittlerweile schon traditionellen Ouverture Spirituelle gestartet ist, die mit Pendereckis „Lukaspassion“ unter Kent Nagano eingeläutet wurde. Dieser stand nun auch zur offiziellen Eröffnung am Pult des Mozarteumorchesters in der Felsenreitschule. Gemeinsam sorgte man unter anderem mit Werken der Jahresregenten Bernstein und Von Einem für die musikalische Rahmung.

Diesen Klängen und den Eröffnungsansprachen lauschte wieder die geballte Prominenz aus Politik und Kultur. Bundespräsident Van der Bellen hatte seinen portugiesischen Amtskollegen Rebelo de Sousa eingeladen, während Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den estnischen Premierminister Jüri Ratas und Andrej Babis aus Tschechien nach Salzburg gebeten hatte. Und neben zahlreichen Ministern der österreichischen Bundesregierung war auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn Teil der Eröffnungsschar.

Begrüßt wurde diese von Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, die in ihrer Rede nachdrücklich zum Einsatz für ein geeintes Europa aufrief: „Widersprechen wir jenen, die ihre Redegewalt für europäische Untergangsszenarien missbrauchen. Investieren wir unsere rhetorische Stärke, vor allem aber unsere Tatkraft, um die faszinierende Idee eines vereinten Europas wieder voranzutreiben.“ Damit stelle man sich in die Tradition der Festivalgründer Reinhardt und Hofmannsthal.

Auch Bundespräsident Van der Bellen forderte Leidenschaft für Europa ohne Theaterdonner. „In der Politik möchte ich auf Blitz und Wahnsinn nicht ungerne verzichten“, so Van der Bellen: „Die Gründerväter der Europäischen Union bewiesen Leidenschaft, Verantwortung und Augenmaß, als sie die Idee eines gemeinsamen, vereinten Europas praktisch umzusetzen begannen.“ Umso bedauerlicher sei, dass nun mit Großbritannien ein Mitgliedsstaat die Union verlasse. „Das ist ein Zeichen an der Wand. Die Vertreter des alten Kirchturm-Nationalismus, deren Weitblick gerade einmal bis zur eigenen Staatsgrenze reicht, spüren Aufwind“, warnte der Bundespräsident: „Hüten wir uns vor freiwilliger Verzwergung.“ In beinahe jedem EU-Mitgliedsland gebe es Parteien, die Ideen alter nationaler Souveränität nachtrauerten. „Ich halte das für die politische Illusion schlechthin. Es gibt die alte nationale Souveränität in einer globalisierten Welt nicht mehr“, betonte Van der Bellen: „Wir brauchen dieses vereinte Europa. Davon bin ich leidenschaftlich überzeugt.“

Auch Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) stellte bei seiner ersten Salzburger Festspiel-Eröffnung Europa und Europas Kunst und Kultur als Überthema über seinen Beitrag. „Ich sehe zwar keinen übertriebenen Anlass zum Pessimismus, aber ja, die Unterschiede zwischen den Ländern in Europa sind groß“, so Blümel: „Was uns manchmal fehlt, ist etwas Emotionales: Ein Zusammengehörigkeitsgefühl.“ Und diese Bindung sei vor allem durch die Kultur zu erreichen, so Blümel, der auch als Europaminister fungiert: „Im Wesen von Kunst und Kultur liegt der dialektische Schaffensprozess einer gemeinsamen europäischen Identität.“ Insofern lasse sich Salzburg mit diesem Bestreben verbinden: „Das beste Mittel gegen Europaskepsis und Krisenbeschwörer wäre wohl, wenn sich alle Pessimisten auf die Festspiele einlassen würden.“

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) erinnerte in seiner poetischen Ansprache an die Metamorphosen unserer Gesellschaft und die Frage des Vergessens in Zeiten einer Erinnerungskultur wie etwa dem heurigen Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges. „Wir begehen solche Anlässe mit dem Glück der Spätgeborenen in routinierter Betroffenheitskultur, suchen Parallelen zu damals, warnen vor den Anfängen, schwören ‚Nie wieder!‘, halten Wiederholung in Wahrheit aber für ausgeschlossen und gehen hernach zu einem leichten Mittagessen, da uns der zu hohe Cholesterinspiegel und die Kurzatmigkeit im Fitnessstudio mehr beschäftigen als die Katastrophen von damals.“ Die Frage sei also, ob sich die Menschheit ändere. In seinen Augen habe diese Prozess längst begonnen: „Vielleicht steht unsere Metamorphose noch in einem Stadium der Verpupptheit, vielleicht warten wir bloß darauf, wie Schmetterlinge in freiem Flug eine Ahnung von Unendlichkeit zu bekommen.“

Und auch der offizielle Festspielredner Philipp Blom verband am Ende seine Rede unter dem Titel „Wir sind alle Kinder der Aufklärung“ eben diese mit einem Plädoyer für Emotionalität. So sei in Zeiten eines parodierten Aufklärungsverständnisses, das Rationalität durch Rationalisierung ersetzt habe, die Entwicklung einer neuen Aufklärung vonnöten. Diese müsse den Menschen als leidenschaftliches Wesen, als Teil der Natur und zur Empathie fähigen Primaten verstehen. Noch seien die westlichen Länder als Angstgesellschaften gefangen in ihren Dämonen: „Wir fressen uns dem eigenen Ersticken entgegen.“ Deshalb bedürfe es eines Paradigmenwechsels: „Was wäre, wenn eine neue, dringend gebrauchte Aufklärung mit einer Rehabilitierung der Leidenschaft beginnen würde?“

(S E R V I C E - www.salzburgerfestspiele.at)