Von möglichen Brandstiftern und illegalen Feriensiedlungen
Bei der Brandkatastrophe vor den Toren Athens starben Dutzende Menschen, Landstriche wurden verwüstet. Nun geht es darum zu analysieren, wie es so weit kommen konnte.
Von Christian Gonsa
Athen –Einige hundert Meter nach der Abzweigung Richtung Rafina, nur 25 Kilometer von Athen entfernt, beginnt die verbrannte Zone. Links und rechts des Marathonos-Boulevards erstreckt sich eine Aschelandschaft. Hier hatte sich am vergangenen Montag ein Feuersturm mit rasender Geschwindigkeit seinen Weg durch die dicht besiedelte Feriensiedlung Mati Richtung Meer gebahnt. Nach vorläufigen Zahlen kamen bei der Brandkatastrophe 88 Menschen ums Leben, Dutzende sind nach wie vor vermisst gemeldet.
Freitagvormittag, vier Tage nach der Katastrophe, wird in der zerstörten Siedlung fieberhaft gearbeitet. Hunderte ausgebrannte Autos, die im engen Straßennetz liegen blieben und ausbrannten, wurden entfernt, die Reparatur des Stromleitungsnetzes hat begonnen, die Teams des Zivilschutzes durchkämmen die Gegend Quadratmeter für Quadratmeter auf der Suche nach weiteren Opfern. Ingenieure untersuchen den Häuserbestand, die Identifizierung der Opfer läuft auf Hochtouren.
In den Medien machen inzwischen berührende Schicksale die Runde: Ein Vater, der seine Zwillingstöchter sucht und Hoffnung schöpft, als er sie auf einem Video wiederzuerkennen glaubt – irrtümlich, wie sich herausstellt, die Mädchen sind weiterhin vermisst. Oder jenes eines jungvermählten irischen Ehepaars, das im Chaos getrennt wurde – der Mann kam ums Leben. Symbol für die Tragödie von Mati aber wurde ein Stück der Steilküste, einige hundert Meter von der Taverne „Argyri Akti“ entfernt. 26 Menschen, die den falschen Pfad Richtung Meer genommen hatten, gingen dort, gefangen zwischen Steilküste und Feuer, eng umschlungen in den Tod. Aber auch diejenigen, die die engen Pfade zur Küste fanden, schwebten an steilen Stellen weiterhin in Lebensgefahr. Vom Feuer ins offene Meer getrieben, ertrank eine bisher unbekannte Zahl von Menschen. Die Windverhältnisse und die seichte Küste verzögerten die Rettung. Insgesamt wurden von der Küstenwache in jener Nacht 715 Menschen evakuiert.
Die Regierung versucht den geschockten Griechen zu erklären, wie es möglich ist, dass in einem beliebten Naherholungsgebiet vor den Toren Athens eine so große Zahl von Menschen sterben musste. Bürgerschutzminister Nikos Toskas sprach auf einer Pressekonferenz Donnerstagabend erstmals von Brandstiftung: Es gebe Indizien, aber auch Zeugenaussagen, dass das Feuer, das am Montag gegen 17 Uhr in den Bergen über Neos Voutzas und Mati ausbrach, gelegt wurde. In der Folge entwickelte sich der Brand aufgrund der ungewöhnlich starken Westwinde mit Windspitzen bis zu 120 Kilometern pro Stunde zu einem unaufhaltsamen Feuersturm, der sich in eineinhalb Stunden über vier Kilometer weit bis zum Meer vorarbeitete. Angesichts der Winde und der Feuerhöhe von bis zu 40 Metern war es, so der Chef der griechischen Feuerwehr, unmöglich, den Brand am Marathonos-Boulevard zu stoppen. „Das Feuer brannte über den Köpfen der Feuerwehrleute hinweg“, sagte der leitende Offizier vor Ort. Fehler bei der Einsatzplanung konnten die Verantwortlichen keine entdecken – man habe den zivilen Behörden mitgeteilt, dass die Bürger das Brandgebiet verlassen sollten, eine organisierte Evakuierung sei angesichts der Geschwindigkeit des Feuers in einer Siedlung mit rund 20.000 Menschen jedoch unmöglich gewesen. Die meisten verbrannten Autos fanden sich auf der engen Küstenstraße, hier verkeilten sich die Autos, die Menschen mussten zu Fuß Richtung Meer weiter.
Mati ist ein „Mischgebiet“, das heißt, dass die Häuser in ein Waldstück hineingebaut sind. Wie in ganz Griechenland wurde hier zunächst in großem Ausmaß illegal gebaut, diese illegalen Bauten jedoch im Lauf der Jahrzehnte legalisiert, im Nachhinein Strom- und Wasserleitungen gelegt. Das anarchische Straßennetz wurde beibehalten – und wurde im Fall von Mati zur Todesfalle. Illegale Bauten konnten gerade in den letzten Jahren mit einer Strafzahlung legalisiert werden – das verschaffte dem Pleite-Staat in den Krisejahren Einnahmen. Doch die Natur hat die Sünden der Vergangenheit nicht verziehen.