Salzburger Festspiele - In der Gefühlsachterbahn zum Antrittsbesuch
Salzburg (APA) - Antrittsbesuch bei den Salzburger Festspielen: Das Konzert hatte sich ein bisschen so angefühlt, als würde der Sohn die neu...
Salzburg (APA) - Antrittsbesuch bei den Salzburger Festspielen: Das Konzert hatte sich ein bisschen so angefühlt, als würde der Sohn die neue Freundin mitbringen. Man mochte die Vorgängerin, will der neuen Liebe aber nicht im Wege stehen. Jahrelang war Simon Rattle mit den Berlinern Festivalgast, am Montagabend kam er erstmals als Chefdirigent des London Symphony Orchestra und machte das Publikum erneut verliebt.
Rattle und die Berliner Philharmoniker gehörten zu den treuen „Orchestern zu Gast“ - so der Titel der Orchesterkonzertreihe - und den beliebtesten Konzerten. In den vergangenen Jahren brachten sie vor allem die großen, schweren Symphonien Mahlers und Schostakowitschs mit an die Salzach. Dieses Jahr reiste Rattle nicht nur mit neuem Orchester, sondern auch mit leichtem Gepäck an die Salzach. Leonard Bernsteins zweite Symphonie, „The Age of Anxiety“, ist ein Werk an den Grenzen der Gattungen, mal symphonisch, mal jazzig und vermutlich nicht erste Programmwahl in Berlin. Das London Symphony Orchestra dagegen ist prädestiniert dafür, denn Jazz und Filmmusik sind fester Bestandteil im Repertoire. Vergleiche, wer nun besser zu Rattle passe, wurden damit ganz nebenbei eliminiert.
Leonard Bernsteins Geburtstag jährt sich in wenigen Tagen zum 100. Mal. Dass ein solches Jubiläum programmatisch gefeiert wird, liegt auf der Hand. Eine Einspielung von Bernsteins „Wonderful Town“ gehörte zu den ersten gemeinsamen Projekten des London Symphony Orchestra und seinem neuen Chef. Pianist Krystian Zimerman ist mit zahlreichen Einspielungen Bernsteins auch kein unbeschriebenes Blatt, die Experten weilten also unter sich im Großen Festspielhaus, und das gut hörbar.
Rattle erzählte die Symphonie, der ein Gedicht mit Handlung von W. H. Auden als Inspirationsquelle diente, und ließ sein Orchester in verschiedensten Anmutungen klingen. Mal nach schwungvollem Hollywood-Orchester, dann wieder nach Jazz-Gang im schummrigen Jazzkeller. Krystian Zimerman schlängelte sich federleicht laufend durch die schweren Blechbläser und hat seine Freude am Austausch mit den anderen Solisten, während sich Rattle einen Spaß daraus macht, wie Bomben fallende Streicher- und Blech-Tutti ganz sanft aufzufangen. Das war eine halbe Stunde gute Unterhaltung.
Viel Elan davon nahm Rattle nach der Pause in Dvoraks „Slawische Tänze“ mit und startete mit einem flotten Einstieg, ohne sich zu verrennen. Die Tänze waren ein Wechselbad der Gefühle, auf Heiterkeit folgt abwechselnd Schwermut, und in diesen Wendungen suhlten sich Dirigent und Orchester geradezu. Das starke Kontrastieren durch die Tempiwechsel erwies sich als Wohltat, um nicht in der Melancholie der langsamen Tänze zu ertrinken. Der Funke sprang über, sodass das Publikum sich schwer zurückhalten konnte und nach dem siebenten Tanz vorzeitig in Jubel ausbrach. „Das ist sehr nett, aber da kommt noch was“, beruhigte Rattle.
Tatsächlich kam noch Leos Janaceks „Sinfonietta“, die zwar ebenfalls in slawischer Nationaltradition steht, mit Dvorak aber sonst wenig gemeinsam hat. Über die Notwendigkeit im Programm lässt sich streiten, fest steht, die Herzen des Publikums waren gewonnen. Großer Jubel beschloss Simon Rattles Antrittsbesuch mit dem London Symphony Orchestra. Mögen sie noch lange gemeinsam glücklich sein!
(S E R V I C E - Folgekonzert „London Symphony Orchestra 2“ am 21. August; www.salzburgerfestspiele.at)