USA schoben früheren SS-Mann nach Deutschland ab

Berlin/Washington (APA/dpa) - Nach jahrelangen Bemühungen haben die USA einen 95-jährigen früheren SS-Mann nach Deutschland abgeschoben. Es ...

Berlin/Washington (APA/dpa) - Nach jahrelangen Bemühungen haben die USA einen 95-jährigen früheren SS-Mann nach Deutschland abgeschoben. Es ist ein bisher einmaliger Fall: Die deutsche Regierung stimmte dem Schritt zu, obwohl der ehemalige Wärter eines NS-Arbeitslagers kein deutscher Staatsbürger ist und auch keine Beweise vorliegen, dass er an Verbrechen der Nazis beteiligt war.

US-Präsident Donald Trump hatte sich persönlich für die Abschiebung eingesetzt. „Die Vereinigten Staaten werden niemanden tolerieren, der NS-Verbrechen und andere Menschenrechtsverstöße unterstützt hat, und diese Personen werden auf amerikanischem Boden keine Zuflucht finden“, erklärte das Weiße Haus am Dienstag.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas begründete den Schritt mit der deutschen Verantwortung für den Holocaust. „Historische Verantwortung kennt keinen Schlussstrich“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Der Erinnerung an die Gräuel der Nazi-Zeit heute gerecht zu werden heiße, gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus zu kämpfen. „Und es heißt, zu unserer moralischen Verpflichtung gegenüber den Opfern und nachfolgenden Generationen zu stehen.“ Die Schuld derer, die in deutschem Namen schlimmste Verbrechen begangen hätten, vergehe nicht. Maas hatte am Montag als erster deutscher Außenminister seit 26 Jahren die KZ-Gedenkstätte Auschwitz besucht und auch dort die deutsche Verantwortung für die Nazi-Gräueltaten betont.

Jakiw Palij war nach Angaben der US-Behörden von der SS geschult worden und als bewaffneter Aufseher im Zwangsarbeitslager Trawniki in dem von Nazi-Deutschland besetzten Polen tätig. Dort wurden im November 1943 den Angaben zufolge 6.000 Juden erschossen. Ob Palij daran beteiligt war, ist aber nicht erwiesen.

Er wurde nach US-Angaben in dem Teil des damaligen Polen geboren, der heute zur Ukraine gehört. 1949 sei er in die USA ausgewandert und habe 1957 die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Er habe den USA damals seine Nazi-Vergangenheit verheimlicht und angegeben, auf einem Bauernhof und in einer Fabrik gearbeitet zu haben. Ein US-Gericht hatte Palij bereits 2003 die Staatsbürgerschaft entzogen. 2004 wurde seine Abschiebung erstmals angeordnet - zunächst ohne Erfolg.

Der Grund dafür war, dass Palij seit 2003 staatenlos war - also kein deutscher Staatsbürger. Zudem fehlten die Beweise gegen ihn. Auf welcher rechtlichen Grundlage das deutsche Innenministerium nun der Einreise zustimmte, blieb zunächst unklar.

Der Fall war Trump offenbar ein persönliches Anliegen. Palij lebte in Queens, dem New Yorker Stadtteil, in dem auch Trump geboren wurde. Der US-Präsident beauftragte den im Mai nach Deutschland entsandten Botschafter Richard Grenell damit, den Bemühungen um eine Abschiebung eine hohe Priorität einzuräumen. Grenell sprach das Thema gleich bei seinem Antrittsbesuch bei Maas an. Danach ging es sehr schnell.

„Für uns ist das ein Fall von moralischer Verpflichtung, weil diese Person im Namen der früheren deutschen Regierung gehandelt hat. Darüber waren sich beide Seiten absolut einig“, sagte Grenell. Er lobte auch ausdrücklich die Zusammenarbeit mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer und Außenminister Maas. Vor allem Seehofer habe „eine kreative Sichtweise auf die Sache“ entwickelt. „Es scheint in der neuen Regierung eine neue Energie entstanden zu sein“, sagte Grenell.

Und wie geht es jetzt weiter? Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wird es zunächst keine neuen Ermittlungen gegen Palij in Deutschland geben. Das gegen den Mann geführte Verfahren wegen Beihilfe zum Mord sei Mitte 2016 aus Mangel an Beweisen von der Staatsanwaltschaft Würzburg eingestellt worden. Sollten sich keine neuen Beweise ergeben, bleibe der 95-Jährige ein „nicht mehr Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren in Deutschland“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Jens Rommel, in Ludwigsburg. Eine Einstellung solcher Verfahren sei aber „nichts für die Ewigkeit“, sollten sich neue Beweise ergeben.

Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg gibt laut Rommel nach ihren Vorermittlungen Jahr für Jahr rund 30 Fälle an die zuständigen Staatsanwaltschaften weiter. In den meisten Fällen komme es nicht zu einer Anklage, weil die mutmaßlichen Täter inzwischen alle jenseits der 90 Jahre und nicht mehr verhandlungsfähig seien. Dennoch gebe es aktuell vier Anklagen gegen ehemalige KZ-Aufseher, zwei in Münster, eine in Frankfurt und eine in Mannheim.