„BlacKkKlansman“: Hass als kollektive Ekstase
Spike Lee erzählt in seinem preisgekrönten Film „BlacKkKlansman“ von der Infiltration des Ku-Klux-Klan durch einen mutigen Polizisten Ende der 1970er-Jahre.
Von Peter Angererr
Innsbruck –In der Regel ist ein falscher Film in der Erinnerung eines Kinogehers kein Grund zur Sorge, wenn auch die Schamesröte über die eine oder andere Geschmacksverirrung das Gesicht überziehen mag. Aber Kwame Ture (Corey Hawkins), der als Black-Panther-Führer seinen Sklavennamen Carmichael abgelegt hat, war in seiner Jugend Tarzan-Fan. Als einmal aufmüpfige Ureinwohner den Helden angriffen, war er natürlich auf Tarzans Seite und schrie im Chor mit anderen Zuschauern: „Töte sie!“ Heute, sagt er den farbigen Studenten von Colorado Springs, würde er natürlich sagen: „Brüder, tötet Tarzan“, und die Studenten im Theater verstehen die Botschaft. „Black Power!“
Einer der Zuhörer ist Bob Stallworth, der erste farbige Polizist in der Stadt, der als verdeckter Ermittler die Gefahr für mögliche Rassenunruhen einschätzen soll. Die einzige Gefahr, die Bob ausmachen kann, geht von der Studentenführerin Patrice Dumas (Laura Harrier) aus, die Polizisten als „Pigs“ bezeichnet. Bob bleibt in Deckung und drängt auf einen gemeinsamen Kinoabend. Die Wahl fällt auf „Shaft“.
Der farbige Detektiv wurde 1971 zum ersten Superhelden der schwarzen Community, deren Vorliebe und Kleingeld künftig auch Hollywood in den Kalkulationen berücksichtigen wollte. Der kulturelle Wandel ließ damit erstmals farbige Schauspieler und Regisseure reüssieren. Einer von ihnen war Spike Lee, der 1986 mit „She’s Gotta Have It“ sein Kinodebüt ablieferte und mit „Do The Right Thing“ 1989 jeden Zweifel über sein politisches Programm ausräumte. Seine Figuren waren nicht nur die Nachkommen von Sklaven, sie müssen auch mit Rassismus, Diskriminierung und biografischen Brüchen leben. Mit Denzel Washington verfilmte Lee 1992 die Biografie des 1965 ermordeten Bürgerrechtlers „Malcolm X“. Auch „BlacKkKlansman“ ist ein Biopic. Der Film folgt den 2014 veröffentlichten Memoiren des Polizisten Bob Stallworth, der 1978 ein Mitglied des rassistischen und antisemitischen Geheimbundes Ku-Klux-Klan wurde. Sein Darsteller ist John David Washington, der Sohn Denzel Washingtons.
Nicht nur die Polizei möchte mit fröhlicher Alliteration („Colored Police in Colorado Springs“) den Veränderungen Rechnung tragen, auch der Ku-Klux-Klan sucht die Mitte der Gesellschaft. Der KKK nennt sich nun „Die Organisation“ und sucht in Kleinanzeigen nach neuen „Rekruten“. Als Bewerbung liefert Bob am Telefon eine rassistische Tirade ab, die am anderen Ende wie feiner Selbstgebrannter aus Hass und Vorurteilen aufgesogen wird. Allerdings kann Bob nicht persönlich erscheinen. Er bleibt die Stimme, die der Agent Flip Zimmerman (Adam Driver) bei den Treffen in Fleisch und Blut darstellen muss. Die von Lee erfundene Figur ist im Film auch für die Komik zuständig, denn die dumpfen Rednecks erkennen in Flip bald den jüdischen Fremdkörper inmitten ihrer arisch reinen Reihe.
In einer fulminanten Parallelmontage verknüpft Spike Lee schließlich ein ganzes Jahrhundert des Grauens und des Hasses, der zur kollektiven Ekstase wird. Ein von Patrice eingeladener Zeitzeuge (Harry Belafonte) erzählt von seinem Jugendfreund Jesse Washington, der von einem von D. W. Griffiths Film „The Birth of a Nation“ aufgehetzten Mob gelyncht wurde. Von der verstümmelten Leiche wurden anschließend Fotos gemacht, die als Postkarten reißenden Absatz fanden. In einem anderen Saal begeistern sich die KKK-Mitglieder an diesem Filmklassiker. Auch diese Filmvorführung soll mit einem Massaker enden. Das zeigt Lee mit Archivaufnahmen vom 12. August 2017, in denen jener Rechtsradikale zu sehen ist, der in Charlottesville mit seinem Auto in einen friedlichen Demonstrationszug raste und dabei Heather Heyer tötete. Ihr ist „BlacKkKlansman“ gewidmet. Dann ist noch Donald Trump zu sehen, der den Anschlag relativiert. Der Klan ist in der Mitte angekommen.