Du kannst nicht immer 17 sein: „Grungy Nuts“ von Andreas Unterweger
Wien (APA) - Eins vorweg: Mit Frühstücksflocken hat das neue Buch des aus Graz stammenden Andreas Unterweger nichts zu tun. „Grungy Nuts“ lä...
Wien (APA) - Eins vorweg: Mit Frühstücksflocken hat das neue Buch des aus Graz stammenden Andreas Unterweger nichts zu tun. „Grungy Nuts“ lässt in sieben Erzählungen fantasievoll und voller Anspielungen auf Literatur und Musik den Wahnsinn der Jugend aufleben. Der 1978 geborene Unterweger hat ein witziges, sprachverliebtes Buch vorgelegt, das Über-17-Jährige in vergangene Zeiten zurückkatapultiert.
Die Figuren verlieren in seinen Erzählungen stets die Kontrolle, alles kippt in wirre Träume, ins Chaos, ins Groteske. Unterweger, der seit 2016 Mitherausgeber der Literaturzeitschrift „manuskripte“ ist und in Leibnitz lebt, beschreibt als einfallsreicher Sprachhandwerker die Abenteuer der 17-Jährigen der 1990er-Jahre: So wird man von einem intellektuell überlegenen, aber jedenfalls älteren WG-Mitbewohner in gewagte Unternehmen verstrickt, und eine große Zahl an Meerjungfrauen überschwemmt die Einzimmerwohnung, in der der Protagonist mit seiner Mutter lebt.
Dinge werden zu (Musik)instrumenten, zu Fetischen aufgeladen, alles bedeutet etwas und dann wieder nicht. Vor Frauen möchte man sich in tragbaren schwarzen Löchern verstecken, vor dem WG-Vermieter jedenfalls auch. Und dann ist da noch ein Kriminalfall, in dem der Tod des Vaters und das Verschwinden der Schwester eine zentrale Rolle spielen, und ein Keller in der Diskothek, in dem sich Abgründe auftun.
Der Titel bezieht sich auf den Namen der WG-Band im Buch, den Unterweger laut seiner Homepage einem Freund und Sitznachbarn zu verdanken hat, der damals - 1994 - „Grungy Nuts“ als Name der zu gründenden Band vorgeschlagen hatte. „Man landet semantisch irgendwo in der Gegend von energiearmen männlichen Sonderlingen in schäbigen T-Shirts und Jeans, die mehr als verrückt nach Nirvana und Co. sind“, erklärt der Autor den Titel. Über die Gründung einer Grunge-Band wird in der WG im Buch jedenfalls diskutiert, aus dem Plattenvertrag wird nichts. Und irgendwann wird der geliebte Musikstil von Neuerem überholt und man zählt plötzlich zu den Alten.
Abgebrochene Sätze, Satzungetüme, Wiederholungen, sprachverspielte Nonsenskapitel, Zitate, Anspielungen auf Kerouac, Ginsberg, Kafka, Balzac, Flaubert, Burroughs, Grünbein, Oasis, Celan und natürlich Nirvana, immer wieder Nirvana - die Liste an literarischen Werkzeugen bei Unterweger ist lang, und er beherrscht sie. Formal hat sich Unterweger, der 2009 mit „Wie im Siebenten“ debütierte und damit auf der Shortlist des Rauriser Literaturpreises landete, Strenge auferlegt: Alle Seiten haben exakt 17 gleich lange Zeilen.
Manchmal kippt der Text nahezu ins Unlesbare, etwa wenn Geräuschvokabeln alles überlagern. Erst der Hinweis, dass dazu die von Google Translate übersetzten Lyrics von Nirvanas „Drain You“ verwendet wurden, lädt sozusagen zum Mitsingen ein. Das Buch ist ein wildes, poetisches Puzzle, so rätselhaft wie Nirvana-Songtexte, bei dem der Leser viele Teile selbst beisteuern muss. Denn am Ende heißt es: „Erst jetzt bemerken Sie, dass Sie wieder (noch immer?) 17 sind (wie ich). Gleichzeitig haben Sie aber (wie ich!) nicht aufgehört, mehr als doppelt so alt zu sein.“ Und tatsächlich: Am Schluss scheint sich alles zu einem Ganzen zu fügen.
(S E R V I C E - Andreas Unterweger: „Grungy Nuts“. Literaturverlag Droschl, 160 Seiten, 19 Euro; Lesungen u.a. am 20.9., 19 Uhr, in der Alten Schmiede, Wien, und am 25.9., 19 Uhr, im Literaturhaus Graz. http://www.andreasunterweger.at/)