„Wie das Gewand die Form verändert“: Dorian Concept untersucht Sounds

Wien (APA) - Es wimmelt nur so von Ideen auf dem neuen Album von Dorian Concept: Der Wiener Elektronikmusiker, der sich in den vergangenen J...

Wien (APA) - Es wimmelt nur so von Ideen auf dem neuen Album von Dorian Concept: Der Wiener Elektronikmusiker, der sich in den vergangenen Jahren als einer der wichtigsten heimischen Szeneprotagonisten etabliert hat, liefert sich auf „The Nature of Imitation“ gewissermaßen einen Kampf mit sich selbst. Es ist die detailverliebte Suche nach Sounds unterschiedlichster Couleur. Und: Er ist fündig geworden.

„Das Scheitern im Nachahmungsversuch finde ich sehr interessant“, erklärte Concept, der bürgerlich Oliver Johnson heißt, im APA-Interview. Als Beispiel führte er den TB 303 von Roland an, einen Analogsynthesizer aus den 80ern, der eigentlich als Ergänzung für Schlagzeuger gedacht war. „Das hat aber überhaupt nicht funktioniert“, schmunzelte der Künstler. „Dann ist es aber zum einem essenziellen Gerät für eine ganze Musikrichtung, dem Acid Techno geworden. Heute werden aber viele Sachen beinahe wissenschaftlich auseinandergenommen. Es fehlen dann die Transformationen, die ich spannend finde.“

Seine elf neuen Stücke, die ab dieser Woche auch auf Vinyl erhältlich sein werden, seien ein Versuch „zu schauen, wie man ähnlich klingende Sachen unterschiedlich darstellen kann. Wenn man das Album hört, erkennt man, dass es immer wieder Themen gibt, die mit unterschiedlichen Instrumenten vorgestellt werden. Wie also das Gewand die Form verändert.“ Daraus speist sich auch der Titel: „Es ging mir konkret um den Gedanken, dass Imitation oft als Unwort im Musikkontext empfunden wird, während man immer auf Originalität pocht. Wie aber schon Brian Eno sagte: Es gibt nicht so sehr den Genius-Begriff, sondern eher den Scenius-Begriff.“

Die Szene als Genie: In der elektronischen Musik gibt es sicherlich viele Bereiche, wo sich Künstler gegenseitig beeinflussen, wo Querverbindungen offensichtlich werden und es zur gegenseitig Befruchtung kommt. Und trotzdem ist „The Nature of Imitation“ ganz und gar Dorian Concept: Der beinahe skizzenhafte Charakter des Openers „Promises“, der leicht verschobene Groove in „No Time Not Mine“ oder das mit einem wunderbar atmosphärischen Intro ausgestattete „J Buyers“, das plötzlich in Hektik, Melodie und Beats explodiert.

„Es ging mir darum, mich einer Idee hinzugeben“, beschrieb Concept die Vielfalt im Klang. „Es ist vielleicht kein Konzeptalbum, sondern eher eine Studie. Man muss sich abschotten und daran glauben, dass es einen Wert hat, das zu verfolgen. Dann musst du dich dem stellen und das durchziehen“, lachte er. „Natürlich ist da auch drin, wie ich mit der jetzigen Zeit umgehe. Das Sprunghafte und all die Elemente und Ideen, die collageartig aneinandergeworfen sind, sollen spiegeln, wie es generell um meine Aufmerksamkeitsspanne steht.“

So erforschte er auf auditive Weise den Puls der Zeit. „Wie man das letztlich angeht? Es braucht wohl den Glauben an die Vision.“ Diese hat Concept eindrucksvoll umgesetzt, wobei verstärkt seine eigene Stimme als Instrument zum Einsatz kommt - wenngleich oft bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. „Für mich ist die Stimme ein Teilelement des Ganzen, ich achte nicht so sehr auf Texte. Also wollte ich einen Weg finden, dass es sich einbettet. Natürlich hat man schneller einen Bezug zur Musik, weil die Stimme etwas sehr persönliches ist. Aber ich wollte sie auch als abstraktes Ding behandeln.“

Und ging es ihm beim Vorgänger „Joined Ends“ noch „um den perfekten Loop“, an dem er lange gebastelt hat, wollte Concept nun wieder alles auf den Kopf stellen. „Es war einfach das komplette Gegenteil: Ich habe aus langen Sessions willkürlich Schnipsel herausgenommen und so freier gearbeitet. Das Hin und Zurück gibt es oft bei mir, um aus den Beschränkungen und Limitierungen wieder auszubrechen. Das ist der Weg, der sich am besten anfühlt.“ Auch in Bezug auf die Rhythmen ist er seiner Intuition gefolgt: „Ich wollte es dynamisch gestalten, da es zuletzt schon relativ dicht war.“

Letztlich ist „The Nature of Imitation“ mit seinem zappeligen Gestus auch eine Reaktion auf das Jetzt. „Zuletzt war es für mich eine Suche danach, wie voll ich es klingen lassen kann, ohne dass es überfordernd wird. Nun aber war mir wichtig, den Lärm zu zähmen. Das Volle in der Musik läuft eher wie ein Unbehagen im Hintergrund mit. Ich mag die Spannung, die dadurch entsteht, wenn es nie ganz ausbricht. Vielleicht ist das der Bezug zur Gegenwart: diese durchgehende Angst, die wir haben, dass etwas passieren könnte.“

Und ein letztes Mal kam Concept auf die Imitation zu sprechen, wenn er über die Definition von Erinnerung philosophiert. „Die stellen wir uns ja oft als Schubladen vor, aus denen man etwas herausholt. Aber sie ist vielmehr wie eine Suppe, in die ein Tropfen hineinfällt und ein anderer hervorkommt. Jemand hat Erinnerung gut beschrieben als rekonstruktiven Prozess. Man erzeugt sie immer neu. Das bezieht sich auch auf das Imitieren im Denken, auf eine Stille Post mit sich selbst oder eine Entfremdung, die durch Replikation entstehen kann. Und das habe ich versucht, bei mir zu finden.“ Herausgekommen ist dabei ein durch und durch kurzweiliges, anspruchsvolles und facettenreiches Album.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - www.dorianconcept.com)