Europäische Pressestimmen zum Ausgang der schwedischen Parlamentswahl

Stockholm (APA/dpa) - Europäische Zeitungen beschäftigen sich am Montag mit der Bedeutung des Wahlausgangs in Schweden, bei der die rechtspo...

Stockholm (APA/dpa) - Europäische Zeitungen beschäftigen sich am Montag mit der Bedeutung des Wahlausgangs in Schweden, bei der die rechtspopulistischen Schwedendemokraten kräftig zulegen konnten.

„De Tijd“ (Brüssel):

„Das Wahlergebnis in Schweden ist mit Blick auf die Europawahlen im Mai 2019 ein weiterer Warnschuss. Soweit das überhaupt notwendig war. Die Flüchtlingskrise beherrscht die gesamte politische Agenda in Europa und Antworten bleiben aus. Die Europäische Union findet nicht zu einer einheitlichen Politik. Es gibt grundlegende Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten bei fast allem. Jeder Partei, die einen Anti-Migrations-Kurs vertritt, ist 2019 der Sieg garantiert. Wie bereits in mehreren europäischen Ländern der Fall, wird diese Entwicklung auch im Europaparlament das traditionelle Kräfteverhältnis ernsthaft stören. Eine angemessene Antwort zu finden, ist unter den gegebenen Umständen nicht einfach. Aber dieser Mangel spielt eindeutig dem Rechtspopulismus in die Hände. Sogar in Schweden. Die Europawahlen im nächsten Jahr könnten bei allen traditionellen Parteien für einen großen Kater sorgen und das europäische Projekt noch mehr untergraben als die Eurokrise.“

„Tages-Anzeiger“ (Zürich):

„Mit dem vorläufigen Endergebnis scheint klar, dass die schwedischen Parteien vor einer schwierigen Regierungsbildung stehen. Der Aufstieg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten verhindert jede stabile Regierungsmehrheit für das rot-grüne oder das liberal-konservative Lager. (...)

Die Verhandlungen werden deshalb so schwierig, weil keiner der traditionellen Blöcke allein regieren kann - bisher aber auch keine Partei ihr traditionelles Lager verlassen will. Es bliebe nur eine Zusammenarbeit mit den für ihre rechtsextremistischen Wurzeln und strenge Einwanderungspolitik kritisierten Schwedendemokraten, die die Parteien erst recht nicht wollen.“

„Le Républicain lorrain“ (Metz):

„Auch wenn die Linke mit Verlusten an der Spitze landet, ist etwas zerbrochen in diesem Land, das das Labor und dann im Laufe der Nachkriegszeit das Paradies der Sozialdemokratie war, dank eines schützenden und umverteilenden Wohlfahrtsstaates. Wie in Österreich, Dänemark oder Deutschland ist der Aufstieg der extremen Rechten nicht auf die Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Diese Länder Nordeuropas baden im Wohlstand und in der Quasi-Vollbeschäftigung. Alle müssen es zugeben, und (die deutsche Kanzlerin) Angela Merkel musste es schmerzlich erfahren: Das Problem liegt in einer Immigration, die von europäischen Völkern, die an einer Lebensweise und bestimmten Werten festhalten, als Welle und Bedrohung wahrgenommen wird. Von Rom bis Stockholm, jetzt begehrt ganz Europa auf. Und zwar in einem solchen Maße, dass die von den Populisten geschwächte Linke ihre eigene Haltung zu den Migranten hinterfragt.“

„Lidove noviny“ (Prag):

„Eine Kombination aus Zukunftsangst, einem Rekordzustrom von Immigranten und mehreren schwerwiegenden Zwischenfällen hat zu einem historischen Erfolg der Populisten geführt, für die fast jeder fünfte Schwede gestimmt hat. Die Schwedendemokraten versuchen, wenig erfolgreich, sich von der Ultrarechten zu distanzieren. Es gelang ihnen, vor allem auf dem Land Proteststimmen zu gewinnen. Man spricht bereits von der Gefahr eines „Swexits“, eines Austritts aus der Europäischen Union. Das Muster ist praktisch überall in der EU gleich. Bei der Europawahl im nächsten Jahr müssen die traditionellen Parteien entweder eine Antwort auf den Populismus finden oder sich stärker seiner Rhetorik annähern. In jedem Fall entsteht gerade ein neues Europa.“

„La Voix du Nord“ (Lille):

„Das hohe Niveau der Stimmen für die extrem Rechten bringt das Gleichgewicht bei Wahlen in vielen europäischen Ländern durcheinander. Konservative Parteien wie auch Sozialdemokraten werden geschwächt. Die Anführer der Konservativen werden dazu verleitet, ihren Ton zu verschärfen. Und wie in Deutschland wird selbst die andere Seite beeinflusst - dort hat sich im Linksaußen-Lager eine Anti-Flüchtlings-Bewegung gebildet. Die siegreiche extreme Rechte wird alles tun, um die Themen Einwanderung und Grenzschließung auch im Europawahlkampf durchzudrücken.“

„Jyllands-Posten“ (Aarhus):

„Schweden ist nach der Wahl in einer hochspannenden politischen Situation. Die Bildung einer neuen, tragfähigen Regierung kann sich sehr lange hinziehen. Der Elefant im Raum sind weiter die Schwedendemokraten, die den Schlüssel zur Macht haben, aber mit denen niemand spielen will. (...) Die europäische Wirklichkeit hat Schweden nun eingeholt. (...) Das Ergebnis der schwedischen Wahl ähnelt der Situation in Deutschland nach der Wahl im vergangenen Jahr. Die Regierungsverhandlungen in Berlin zogen sich monatelang hin.“

„Politiken“ (Kopenhagen):

„Die Aufgabe ist nun, die Polarisierung zu minimieren. Das schafft man nicht, indem man die Unzufriedenheit ignoriert, die ein Siebentel der schwedischen Bevölkerung ausgedrückt hat, indem es für die Schwedendemokraten stimmte. [...] Das bedeutet nicht, dass die etablierten Parteien sich von der Partei steuern lassen sollen, aber sie müssen zuhören und sich darum kümmern, dass die Wähler der Partei sich ernst genommen fühlen.“

„Dagens Nyheter“ (Stockholm):

„Das besondere an der diesjährigen Wahl ist doch, dass die zwei Parteien, sie sich sonst in der Rolle des Gewinners und Verlierers abwechseln, diesmal beide auf der Verliererseite stehen. Jahrzehntelang wurde die schwedische Politik vom Kampf zwischen Sozialdemokraten und Moderaten geprägt. Diese Kontroverse machte Wahlabende spannend, aber es sind auch diese Parteien, die Stabilität im politischen Leben garantierten. Damit ist jetzt Schluss. [...] Die Schwedendemokraten sind größer geworden, aber sie haben immer noch eine überwältigende Reichstagsmehrheit gegen sich. Auf diese Tatsache muss sich die politische Gestaltung des Wahlresultats stützen.“

„Svenska Dagbladet“ (Stockholm):

„Der Elefant im Raum ist nun so groß und verbraucht so viel Sauerstoff, dass man ihn nichtmal mit bestem Willen ignorieren kann. [...] Etwas seltsam ist, dass Forscher nun andeuten, die gestiegene Einwanderung sei nicht entscheidend für den Erfolg der Schwedendemokraten gewesen. [...] Wenn die Experten die Wähler analysieren, besteht offenbar das Risiko, dass sie die Erklärungen nicht akzeptieren, die die Wähler ihnen geben. Ein solcher Ansatz ist möglicherweise der effektivste Weg, einen Elefanten zum Wachsen zu bringen.“

„Sydsvenskan“ (Malmö):

„Die Wahl ist vorbei, die Wähler haben gesprochen. Trotzdem ist es alles andere als klar, wie die nächste Regierung aussehen wird. [...] Diese wichtige Arbeit kann dauern. Und sie sollte dauern. Es gibt keinen Grund, zu hasten. Eine neue Regierung eilt nicht. Die Hauptsache ist, dass sie stark und fähig wird. Dass sie so gut funktioniert, dass sie notwendige Reformen liefern kann. Das braucht Schweden. [...] Schweden, wir haben ein Ergebnis. Und das Endergebnis nach Verhandlungen kann trotzdem gut werden.“