Emmy Werner: „Ich war wahnsinnig gerne Direktorin“
Wien (APA) - Lange hat sie sich zurückgezogen. Nun muss Emmy Werner wieder „in den Ring“. Begeistert ist sie nicht davon, doch kurz vor ihre...
Wien (APA) - Lange hat sie sich zurückgezogen. Nun muss Emmy Werner wieder „in den Ring“. Begeistert ist sie nicht davon, doch kurz vor ihrem 80. Geburtstag hat sie ein Erinnerungsbuch veröffentlicht, „und ich habe unterschätzt, dass das Buch eine Öffentlichkeit braucht“, sagt sie im Gespräch mit der APA. Ihr Buch wird am Mittwoch im Theater Drachengasse präsentiert, einen Tag vor ihrem Geburtstag.
Im Volkstheater, das sie 17 Jahre lang geleitet hat, war sie am Samstag das erste Mal seit vielen Jahren wieder, zur Premiere von Anna Badoras Inszenierung von „Der Kaufmann von Venedig“. Sie hat die heutige Theaterleiterin einst als Regisseurin erstmals ans Haus engagiert und hätte ihr von Herzen großen Erfolg gewünscht. Emmy Werner weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das Volkstheater zu führen ist. Zu groß. Zu wenig Budget. Zu viel Konkurrenz. In ihrem Buch nennt sie es nur „das Große Theater“. Unter anderem des ungeliebten Namens wegen, erklärt sie: „Der Name lastet auf dem Haus wie ein Fluch. Wir haben fünf-, sechsmal eine Namensänderung versucht. Es wurde aber nicht gewünscht. Und es ist uns leider auch nichts so viel Besseres eingefallen.“
Zum Wirken der Direktionen nach ihr ist der Frau, die über ein Vierteljahrhundert Theaterleitungserfahrung verfügt, kaum etwas zu entlocken. Badora habe wohl etwas Kühnes versucht, „doch das ist anscheinend nicht ganz aufgegangen“. Und zu Michael Schottenberg, ihrem unmittelbaren Nachfolger, verweigert sie jeden Kommentar. Schottenberg ist auch unter die Buchautoren gegangen. Er erzählt dabei von seinen Bachpacker-Reisen in ferne Länder. „Ich reise nicht. Und wenn, dann nur in Österreich“, hält Emmy Werner kategorisch fest. Nicht nur das unterscheidet sie von „Schotti“, der seit seinem Abgang immer wieder durchblicken ließ, dass die Volkstheater-Direktion für ihn im Grunde immer eine Qual gewesen sei. „Ich war wahnsinnig gerne Direktorin“, lässt dagegen Werner keinen Zweifel an der Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf ausgeübt hat. „Die schönsten Jahre meines Lebens, das Lebensalter zwischen 50 und 65, habe ich am Volkstheater verbracht.“
Nur wenige Male hat sie sich seither zu Regiearbeiten verführen lassen. Mit gleich drei Inszenierungen des „Bettelstudenten“ in Linz, Klagenfurt, München konnte sie ihre heimliche Liebe zum Musiktheater endlich einmal umsetzen, für den „Bockerer“ in Salzburg hat sie noch einmal mit Erwin Steinhauer zusammengearbeitet, bei den von Andrea Eckert (sie hatte unter Emmy Werner mit „Meisterklasse“ ihren größten Erfolg) geleiteten Raimundspielen Gutenstein inszenierte sie im Vorjahr „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“. Nun müsse schon etwas ganz Besonderes kommen, um sie noch zu reizen, sagt Emmy Werner. 50 Jahre Sprechtheater seien eigentlich genug.
Auch mit heutigen Theaterleiterinnen und -leitern möchte sie nicht tauschen. „Wien ist ein mörderisches Pflaster für Theater. Der Konkurrenzkampf wird immer größer. Unterm Strich regiert am Theater mehr denn je das Geld.“ Auch inhaltlich sei es nicht einfach: „Ich hab‘s leichter gehabt. Ich habe die Frauenschiene bedient. Damit lockst Du aber heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor.“ Heute seien deutlich mehr Frauen als Regisseurinnen oder Direktorinnen aktiv („Natürlich hätte ich gerne noch mehr!“), und auch Gleichberechtigung sei dank einer neuen Männergeneration viel selbstverständlicher geworden.
Und schon ist man bei der #MeToo-Debatte, die vom Filmbusiness kommend auch auf die Theater übergeschwappt ist. „Das Theater unterscheidet sich von anderen Betrieben nur durch eines: Hier kann der Machtmissbrauch unter dem Deckmantel der Kunst betrieben werden. Jede Art von Anmaßung ist Missbrauch. Aber es hat sich bereits gebessert. Man sollte jetzt einmal zur Ruhe kommen.“
Auch dem kommenden Burgtheaterdirektor Martin Kusej wird autoritärer Führungsstil vorgeworfen. Die Kritik an seiner Absicht, einen Teil des Ensembles auszutauschen, teilt Emmy Werner allerdings keineswegs: „Es heißt Direktionswechsel. Da wird eben gewechselt! Das ist so. Das ist ein autoritärer Beruf, zum Kuckuck.“ Sie selbst habe bei der Übernahme des Volkstheaters viel zu behutsam vorgehen müssen. „Heute würde ich das nie mehr so übernehmen.“
Emmy Werner hat sich zwar aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen, verfolgt die Entwicklungen in der Gesellschaft aber weiter mit größtem Interesse. „Meine ganze Aversion gilt den sozialen Medien, die ich ja für asoziale Medien halte. Der Pöbel hat ein Sprachrohr und damit auch Macht bekommen“, schimpft sie. „Außerdem kann alles manipuliert werden. Ich habe keinen Internetanschluss - und lebe herrlich damit.“
Am Ende landet das Gespräch bei der Politik. Die Bestellung der ehemaligen Dramaturgin und Festivalintendantin Veronica Kaup-Hasler hält sie für „eine sehr mutige und gute Entscheidung“. Wie geht es ihr mit der Politik der türkis-blauen Regierung? „Mir geht es damit sehr, sehr schlecht. Ich bin sehr deprimiert. Aber wir alle jammern ja nur und tun nichts. Das ist der einzige Grund, warum ich gerne jetzt ein Theater hätte. Darum beneide ich Martin Kusej!“
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(B I L D A V I S O – Bilder von Emmy Werner sind im AOM abrufbar.)