„... als ob sie Emma hießen“: Emmy Werners „Nachbetrachtungen“
Wien (APA) - „Der Versuch der alten Dame“ wäre ein möglicher Titel gewesen, schreibt Emmy Werner im Prolog ihres Erinnerungsbuches, das am M...
Wien (APA) - „Der Versuch der alten Dame“ wäre ein möglicher Titel gewesen, schreibt Emmy Werner im Prolog ihres Erinnerungsbuches, das am Mittwoch im Theater Drachengasse präsentiert wird, mit einem Schuss Selbstironie. Geworden ist es jedoch „... als ob sie Emma hießen“, in Anlehnung an Christian Morgensterns Möwenlied. Es enthält keine Abrechnungen, sondern „Nachbetrachtungen“ und Standortbestimmungen.
Theaterhistoriker werden keine wirkliche Freude haben mit diesem Buch. Natürlich nehmen die beiden Pioniertaten der leidenschaftlichen Theaterfrau, die Gründung des Theaters Drachengasse und die 17 Spielzeiten an der Spitze des Wiener Volkstheaters, gewichtigen Raum ein („Theaterleiten - Theaterleiden“ heißt ein Kapitel), doch ins Detail geht Emmy Werner nur dort, wo ihr Menschen, Projekte, Konstellationen besonders wichtig waren. Werklisten oder Namensregister fehlen, und nicht nur zu sich selbst, von der sie in dritter Person als „E.“ schreibt, sondern auch zum Volkstheater versucht sie auf Distanz zu gehen: Ihre größte und längste Wirkungsstätte wird konsequent und namenlos das „Große Theater“ genannt.
Dabei schreibt Emmy Werner gar nicht um den heißen Brei herum. „E. gefiel das Wort Macht. Es kam von ‚machen‘. Etwas zu machen, ist der eigentliche Motor des Lebens, nämlich die Macht zu gestalten. Und Macht heißt auch Verantwortung, mit der besonders sorgsam umgegangen werden muss“, schreibt sie etwa. „Auch am Theater gilt es, Macht nicht zur eigenen Erhöhung zu missbrauchen um gleichsam ein gottähnliches oder gar grausames Wesen zu spielen. Es sollte immer wieder schmerzliche Überwindung kosten, gegen Einzelne im Sinne des optimalen Gesamten zu entscheiden, Freude darf es hingegen bereiten, wenn Macht bewirkt, eigene Vorstellungen realisieren zu können - das ist etwas Wunderschönes, etwas geradezu Revolutionäres.“
Revolutionär war wohl, dass mit Emmy Werner eine Frau mit Hausverstand an die Spitze eines Theaters kam. „Theaterarbeit glich irgendwie der Hausarbeit. Man fing in der einen Ecke zu putzen an, und kaum war man mit der letzten fertig, wartete schon wieder die erste aufs Saniertwerden“, schreibt sie und erinnert sich, wie am „Großen Theater“ die Arbeit verteilt war: „Vierzig Teile künstlerische Arbeit, fünfzig Teile Schreibtischtäterarbeit und zehn teile Ärgerverdauungsarbeit.“
Doch „... als ob sie Emma hießen“ ist kein reines Theaterbuch. Doch natürlich nimmt das Theater auch im familienhistorischen Teil ebenso Raum ein wie in den Erinnerungen der späteren Schauspielerin und Direktorin an ihr „Tischtheater“, bei dem die 1938 Geborene unter dem Tischtuch mit Puppen und Teddybären, mit Hüten, Stöckelschuhen und den Petitpointtäschchen der Mutter sich eine eigene, geschützte Welt schuf, während die echte Welt rundherum in Trümmer ging. Emmy Werners Erinnerungen an Kriegs- und Nachkriegszeit zählen zu den eindringlichsten Passagen des Buches. Besonders unter die Haut gehen jedoch ihre Betrachtungen zur Gegenwart - ihrer eigenen und der ihrer Umgebung.
Emmy Werner scheut sich nicht, sehr Privates von sich preiszugeben (immer darauf bedacht, dabei keine Namen zu verraten). Sie schreibt über den „Menschenfresser“ Theater, der einen gern mit Haut und Haar verschlänge, über Sehnsüchte und Partnerschaften („Liebend gerne mit sich allein zu sein, das war ein seltenes Talent, im Alter geradezu eine Gnade. Allein und doch nicht einsam!“), über das Älterwerden, zumal als Frau - immer in der richtigen Überzeugung, es handle sich dabei eben nicht um eine Privatsache, sondern um Erfahrungen, die eine ganze Gesellschaft prägen. Ohne Bitterkeit, ohne Melancholie, sondern mit Sinn für Witz und Selbstironie.
Emmy Werner wird 80. Und erzählt beiläufig von einem Seufzer ihrer damals 95-jährigen Mutter anlässlich der Geburtstagsfeier einer Neunzigjährigen: „Mein Gott, neunzig wär‘ ich gern noch einmal!“ Nur her mit den wilden Neunzigerinnen!
(S E R V I C E - Emmy Werner: „... als ob sie Emma hießen. Eine Nachbetrachtung“, Residenz Verlag, 320 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 26 Euro, Präsentation am 12.9., 18 Uhr, Theater in der Drachengasse, Wien 1, Drachengasse 2)